„Ja wie jetzt, ich will doch verstanden werden!“, wird wohl mancher denken. Immer? Will ich wirklich immer verstanden werden? Oder gibt es auch Situationen, wo es mir ganz recht ist, wenn ich nicht gleich verstanden werde?
Warum reden dann so viele Menschen per „man“ statt per „ich“? Warum wird dann so gerne verallgemeinert? Hinter Verallgemeinerungen und Aussagen per „man“ kann ich meine eigene Meinung verstecken. Da habe ich bei Gegenwind oder Fragen die Möglichkeit, mich rauszureden. Wenn ich spreche, höre ich mir immer auch selbst zu. Jedes Reden ist auch eine Form der Selbstbeeinflussung. Wenn ich also per „man“ spreche, vermittle ich mir selbst etwas über mich. Ich gebe mir selbst den Eindruck, dass es um eine Reihe anderer Leute geht, nicht aber um mich. Nehmen wir mal ein Beispiel: Mein Vater pflegte zu sagen: „Man müsste mal wieder das Auto waschen.“ Da war er in gewisser Weise fein raus. Er appellierte an seine Zuhörer, Frau und Kinder, gab aber keinen konkreten Auftrag oder Befehl. Es klang ganz harmlos und so erschien er sich dann vermutlich auch. Für uns war dennoch klar, dass WIR SEIN Auto waschen sollten. Das haben wir auch immer brav gemacht. Aber für sich blieb er unklar und vernebelte sein Bild von sich selbst. Das wirkte vermutlich wie ein Weichzeichner beim Foto. Er erschien sanfter für sich. Klar wäre gewesen, wenn er gesagt hätte: „Könnt ihr mir bitte das Auto waschen?“ Was aber hätte er damit gesagt? Er hätte sich ein wenig demütig gezeigt. Denkbar wäre auch gewesen: „Ihr wascht heute Nachmittag das Auto!“ Das wäre ein Befehl gewesen und hätte ihm selbst – und uns – ein anderes Bild von ihm vermittelt. Klare Hierarchie. Gegen die hätten wir vielleicht aufbegehrt. Wir hätten den Klartext verstanden und wären womöglich nicht damit einverstanden gewesen. So konnte er Teile seiner Persönlichkeit vor sich und uns verschleiern oder eben weichzeichnen.
Somit sind wir wieder bei der Frage: Will ich wirklich verstanden werden?
Wenn ich jemandem etwas Unangenehmes sagen will oder muss, ist das bisweilen nicht einfach. Ich muss damit rechnen, dass der andere darauf wenig erfreut reagiert. Auch hier habe ich die Möglichkeit, mit bestimmten Floskeln oder Formulierungen dafür zu sorgen, dass es erstmal „ganz nett“ klingt. In besonderer Form kennen wir das aus Arbeitszeugnissen, wo freundlich verpackt ziemliche Abwertungen oder negativ Bewertungen abgegeben werden können. Wenn man gelernt hat, diese Formulierungen zu lesen, versteht man sehr wohl, dass das, was im ersten Moment so positiv klingt, eine harte Kritik ist. Wer da Klartext redet, riskiert Ärger vor dem Arbeitsgericht. Das Zeugnis darf nicht offen negativ sein, schreibt der Gesetzgeber vor. Aber selbst im privaten Lebensbereich überlege ich gut, wie klar ich jemandem meine Meinung sage. Viele Menschen beenden Beziehungen heute indem sie einfach irgendwann nicht mehr reagieren. Es gibt in meinem Umfeld Menschen, da warte ich nun schon seit Monaten auf eine Mailantwort. Ich finde das traurig und verunsichernd, wenn ich nicht weiß, warum der andere nicht mehr mit mir redet. Auch wenn es nicht schön ist, zu hören, womit ich den anderen verärgert oder verletzt habe, gäbe ein klares Wort mir die Möglichkeit der Reaktion. Die aber will mein Gegenüber nicht oder fürchtet sie gar. Also wird nicht Klartext geredet.
Klartext reden heißt, ich übernehme Verantwortung für mein Reden und Handeln. Für mich ist das eine gute, aufrechte Haltung, die meine eigene Stärke zeigt und für mein Gegenüber fair ist. Ich kann mich damit abgrenzen von Menschen, die mit ihrem Handeln meine Grenzen überschreiten. Damit gewinne ich Kraft und verschaffe mir Respekt. Für mich hat Klartext viele positive Aspekte, erfordert aber auch Mut und die Fähigkeit, Dinge so zu sagen, dass ich den anderen damit nicht angreife, sondern Möglichkeiten für einen neuen Umgang eröffne.
Von daher möchte ich ermutigen, mehr Klartext zu reden. Für sich und für den anderen.
Autor: Ulrike Dauenhauer – http://www.doppelpunkt-praxis.de
Klartext: Ich finde den Beitrag super! Lächeln.
Danke! Freut mich.