Da lese ich diesen Satz, dass es also MEINE Entscheidung ist, ob ich Zeit habe. Das finde ich im ersten Moment ziemlich ärgerlich. Es macht mich wütend. Mein Tag ist voll. Ein Termin folgt auf den nächsten. Viele Verpflichtungen fordern mich. Ich sehe zu, dass ich das alles irgendwie hinbekomme. Und dann sagt da jemand, es sei meine Entscheidung, ob ich Zeit habe. Das ist doch eine Frechheit. Ich bin so oft fremdbestimmt in meiner Zeit. Wie gern hätte ich Zeit für Dinge, die mir Freude machen, für Menschen, die mir wichtig sind. Aber ich habe diese Zeit eben nicht. So erleben das vermutlich viele Menschen. Aber ist es wirklich so?
Ich habe mich mal entschieden, den Beruf zu ergreifen, den ich aktuell ausübe. Da war mir klar, dass der viel Zeit von mir fordern wird. Und ich habe mich dafür entschieden. Es folgte die Selbständigkeit, die natürlich einen hohen zeitlichen Einsatz fordert. Auch dafür habe ich mich entschieden. In meiner Lebensplanung kamen Kinder vor. Sie wurden auch Realität, sind die größten Geschenke in meinem Leben. Zwar war meine Vorstellung davon, wieviel Zeit Kinder brauchen etwas anders als die beiden es mir dann zeigten, aber grundsätzlich war klar, dass Kinder viel Zeit brauchen würden. Und ich habe mich dafür entschieden. Ich habe eine alte Mutter. Diese Beziehung pflege ich so, wie es für mich richtig ist, was Zeit braucht. Und auch hier habe ich mich dafür entschieden, es so zu tun und daher diese Zeit zu haben. Und so könnte ich noch eine ganze Weile weiter machen. Wo ist also die Zeit, über die ich nicht selbst entscheide? Es gibt Krankheitszeiten, da läuft das anders mit der Zeit. Seltsamerweise haben wir da plötzlich Zeit für Dinge, für die wir vorher immer meinten, keine Zeit zu haben.
Ich gebe zu, dass ich es bisweilen schwierig finde, die Zeit da zu haben, wo ich es für eine bestimmte Sache ideal fände. Weiter gebe ich zu, dass es manchmal bequem ist zu sagen „ich habe keine Zeit, ich muss arbeiten (oder was auch immer an dieser Stelle kommen kann)“. Das ist für mich, als könnte ich für einen Moment ein wenig Verantwortung abgeben. Die Formulierung legt ja nahe, dass ich schon wollte, aber leider eben nicht kann, weil andere Dinge wichtiger sind. Das entlastet mich. Wenn ich aber ehrlich mit mir bin, muss ich mir eingestehen, dass es mehr Mühe kostet, dann zu schauen, wo und durch welche organisatorischen Maßnahmen ich die Zeit finde, ich für etwas haben möchte. Und wenn mir etwas oder jemand wichtig ist, lässt es sich nahezu immer realisieren, dass da die Zeit ist.
Wenn also jemand mich fragt, ob ich für ihn Zeit habe, kann die Antwort nicht sein, dass ich sie nicht habe, sondern …
Autor: Ulrike Dauenhauer