Jeder Augenblick ein Geschenk

Vergangenheit ist Geschichte, Zukunft ein Geheimnis und jeder Augenblick ein Geschenk. (Ina Deter) - www.doppelpunkt-praxis.de

Ist das nicht eigentlich ein banaler Spruch? Könnte man meinen. Aber für mich hat er etwas Besonderes; und zwar am Schluss. Das letzte Wort ist für mich das Wichtigste an diesem Satz. Wie kann ein Augenblick ein Geschenk sein? Es kommt doch ein Augenblick nach dem nächsten, ohne dass ich etwas dazu tue oder meistens auch ohne, dass etwas Besonderes geschieht. Warum also sollte jeder Augenblick ein Geschenk sein?

Für mich liegt in diesem Wort sehr viel. Natürlich gibt es Geschenke, die ich quasi erwarte. Viele Menschen erwarten, dass sie an Weihnachten oder zum Geburtstag irgendwas geschenkt bekommen. Ganz besonders sind für mich aber die Geschenke, mit denen ich nicht gerechnet habe, entweder zu diesem Zeitpunkt oder in der Art des Geschenkes. Sowas schafft für mich immer ganz besondere Überraschungen. Und wenn mir in diesem Satz gesagt wird, dass jeder Augenblick ein Geschenk ist, lenkt er meinen Blick weg von der Selbstverständlichkeit, mit der sich ein Augenblick ereignet hin zur Einmaligkeit des Moments und noch darüber hinaus. Ein Geschenk will gewürdigt sein. Da hat sich schließlich jemand Gedanken gemacht, wie er uns eine Freude machen könnte. Bei mir löst das Dankbarkeit aus. Und dann Neugier, was genau hat sich der Schenkende gedacht, als er sich für dieses Geschenk für mich entschied und was kann ich mit dem Geschenk machen. Wann und wie will ich es wie gebrauchen oder genießen? Insofern hat ein Geschenk für mich immer auch einen hohen Aufforderungscharakter. Mit dem Geschenk beginnt für mich die Aufgabe, es zu gestalten, ihm seinen eigentlichen Sinn zu verleihen. Darin liegt natürlich auch Verantwortung, die ich übernehme, wenn ich das Geschenk annehme.

Und was heißt das jetzt für den Augenblick? Ich habe Macht, den Augenblick – JETZT – zu gestalten, mich an ihm zu freuen, ihn zu nutzen und damit zu verwandeln. Ich kann ihn dankbar annehmen und eine innere Haltung zu ihm finden, die mich reich macht, weil ich ja so viele Geschenke bekomme.

Autor: Ulrike Dauenhauer

Luther Jubiläumsjahr 2017 – oder Lernen vom Apfelbäumchen

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Martin Luther auf einer Briefmarke. Aus meiner Jugendzeit kenne ich diese gut, habe sie oft „geschleckt“, denn selbstklebende Marken gab es damals noch nicht. Sie schaffte ab ihrer Erscheinung im Sept. 1961 eine Auflage von fast 2,5 Milliarden! Diese Marke war nur bis zum 31.12.1970 gültiges Porto.

Die Sätze und Zitate von Martin Luther haben auch eine hohe „Auflage“. Der Reformator wird auch 500 Jahre nach seinem Thesenanschlag häufig zitiert. So manches Zitat des Theologen verliert seine Gültigkeit nicht.

Heute will ich auf ein Bonmot eingehen, welches Luther zugeschrieben wird. Allerdings gibt es keinen Beleg dafür (manches spricht dafür, dass es erst während des Zweiten Weltkrieges entstanden ist und dem Mönch in den Mund gelegt wurde).
„Wenn ich wüsste, dass morgen die Welt untergeht, würde ich heute noch ein Apfelbäumchen pflanzen.“
Würde ich das auch? Erste Reaktion beim Hören vor ein paar Jahrzehnten: „Schön blöd! Wenn ich wüsste, dass morgen die Welt untergeht, hätte ich Besseres zu tun!“

Beim Nachdenken über seine Aussage fielen mir zwei Dinge auf:

Erstens: Möglicherweise wollte er sagen, dass ich – obwohl ich „weiß“, dass morgen die Welt untergeht – mich täuschen könnte. Bleibt bei aller Gewissheit nicht eine Restunsicherheit? Besteht nicht eine kleine Chance, dass ich mich getäuscht habe?

Und selbst wenn man im göttlichen Auftrag spricht, wie in der Überlieferung des Alten Testaments der Prophet Jona, welcher der Stadt Ninive den Untergang ankündigte: es könnte sein, dass Gott seine Meinung ändert! Und dann?!
Also würde Luthers Satz aussagen: Selbst wenn Du Dir einer Sache ganz gewiss bist: rechne damit, dass es auch anders kommen könnte! Geh Deinem Tagewerk nach! Komme Deinen Verpflichtungen nach! Lebe, als ob es weiter gehen würde!
Dies muss nicht bedeuten, dass man die realen Gefahren ausblendet und leugnet. Aber es heißt, nicht in Schockstarre zu verfallen, wie das Kaninchen vor der Schlange. Lass Dich von Deinen Ängsten und Sorgen nicht gefangen nehmen! Lass Dich von diesem Schreckensszenario nicht fesseln!

Zweitens: Warum schrieb Luther: „… ein Apfelbäumchen pflanzen“? Warum nicht etwas tun, was am letzten Tag vor dem Weltuntergang noch Sinn macht? Brot backen, Stube aufräumen, Holz hacken … Aber ein Apfelbäumchen pflanzen? Ist das nicht absurd? Ein Bäumchen trägt doch frühestens nach 10 Jahren Früchte. Was ergibt das für einen Sinn? Möglicherweise ergibt sich aus der Absurdität der Sinn seiner Aussage: es geht nicht nur darum, für heute etwas Sinnvolles zu tun, sondern etwas, was Langzeitauswirkungen hat. Ich werde tätig mit einer Aufgabe, deren Folgen in der Zukunft liegen. Und das, obwohl die Situation heute ganz nach Weltuntergang aussehen mag.

Viele sagten schon in den 70er Jahren des letzten Jahrhunderts: in diese Welt kann man keine Kinder mehr setzen. Wegen der Gewalt … der Konflikte … des Klimas … der abnehmenden Rohstoffe … und wegen der machthungrigen Präsidenten oder Kanzler oder Könige usw. Ich höre diese Worte in den letzten Monaten auch wieder: die Welt ist schlecht, lasst uns die Hände in den Schoß legen, es hat eh alles keinen Sinn mehr.

Ob das Zitat nun von Martin Luther stammt oder nicht: Es macht in meinen Augen nicht nur eine Aussage, sondern gibt uns einen Auftrag: bei aller Gewissheit über das Übel in der Welt oder des nahen Weltuntergangs – steck den Kopf nicht in den Sand, lebe und arbeite weiter! Denn ganz sicher kann sich niemand sein. Nimm ein Projekt in Angriff, das Langzeitwirkung hat und vielleicht erst Jahre später Früchte trägt! Es muss kein Apfelbäumchen sein …
© Matthias Dauenhauer

Die innere Haltung

Engel können fliegen, weil sie sich selbst nicht so schwer nehmen. (aus Schottland) - www.doppelpunkt-praxis.de

Engel können fliegen, weil sie sich selbst nicht so schwer nehmen. (aus Schottland)

Über diesen Satz bin ich dieser Tage gestolpert, und er hat mich angesprochen. Ich begann zu überlegen, was mich genau daran angesprochen hat. Zum einen war es die Tatsache, dass zunächst einmal davon ausgegangen wird, dass es Engel gibt. Laut einer Umfrage von Forsa glauben 66% der Deutschen an Engel, während nur 64% an einen Gott glauben. Dann ist für den Sprecher des Satzes ganz offenbar klar, dass Engel fliegen können. Wer an Engel glaubt, wird vermutlich auch das bejahen. Irgendwie gehört das ja ganz klassisch ins Bild der Engel. Wozu sonst hätte ein Engel denn Flügel? Und schließlich werden Engel in aller Regel mit Flügeln abgebildet. Woran sonst würde man denn erkennen, dass dies ein Engel sein soll?
Aber nun die Erklärung, WARUM Engel fliegen können. Die gefällt mir, denn sie ist so gar nicht physikalisch. Es wird hier den Engeln unterstellt, dass ihr Flugvermögen etwas mit ihrer inneren Haltung zu tun hat. Das hat mir imponiert. Es hat mir vor allem deswegen imponiert, weil es die einzige Erklärung ist, die hier gegeben wird. Es scheint also, dass die innere Haltung die ganze Kunst daran ist. Toll!

Meine eigene innere Haltung kann ich beeinflussen. Hier ist eine zentrale Schaltstelle meiner Macht über mein Leben. Ich habe es in der Hand, was ich wie schwer oder leicht nehmen möchte.

Autor: Ulrike Dauenhauer – Praxis Doppelpunkt