Ist das nicht eigentlich ein banaler Spruch? Könnte man meinen. Aber für mich hat er etwas Besonderes; und zwar am Schluss. Das letzte Wort ist für mich das Wichtigste an diesem Satz. Wie kann ein Augenblick ein Geschenk sein? Es kommt doch ein Augenblick nach dem nächsten, ohne dass ich etwas dazu tue oder meistens auch ohne, dass etwas Besonderes geschieht. Warum also sollte jeder Augenblick ein Geschenk sein?
Für mich liegt in diesem Wort sehr viel. Natürlich gibt es Geschenke, die ich quasi erwarte. Viele Menschen erwarten, dass sie an Weihnachten oder zum Geburtstag irgendwas geschenkt bekommen. Ganz besonders sind für mich aber die Geschenke, mit denen ich nicht gerechnet habe, entweder zu diesem Zeitpunkt oder in der Art des Geschenkes. Sowas schafft für mich immer ganz besondere Überraschungen. Und wenn mir in diesem Satz gesagt wird, dass jeder Augenblick ein Geschenk ist, lenkt er meinen Blick weg von der Selbstverständlichkeit, mit der sich ein Augenblick ereignet hin zur Einmaligkeit des Moments und noch darüber hinaus. Ein Geschenk will gewürdigt sein. Da hat sich schließlich jemand Gedanken gemacht, wie er uns eine Freude machen könnte. Bei mir löst das Dankbarkeit aus. Und dann Neugier, was genau hat sich der Schenkende gedacht, als er sich für dieses Geschenk für mich entschied und was kann ich mit dem Geschenk machen. Wann und wie will ich es wie gebrauchen oder genießen? Insofern hat ein Geschenk für mich immer auch einen hohen Aufforderungscharakter. Mit dem Geschenk beginnt für mich die Aufgabe, es zu gestalten, ihm seinen eigentlichen Sinn zu verleihen. Darin liegt natürlich auch Verantwortung, die ich übernehme, wenn ich das Geschenk annehme.
Und was heißt das jetzt für den Augenblick? Ich habe Macht, den Augenblick – JETZT – zu gestalten, mich an ihm zu freuen, ihn zu nutzen und damit zu verwandeln. Ich kann ihn dankbar annehmen und eine innere Haltung zu ihm finden, die mich reich macht, weil ich ja so viele Geschenke bekomme.
Autor: Ulrike Dauenhauer