Schwörtag Reutlingen

Obwohl ich nun schon einige Jahre in Reutlingen lebe und arbeite, hatte ich erst dieses Jahr die Gelegenheit, beim traditionellen Schwörtag der Stadt Reutlingen teilzunehmen.

BLOG Prozession

Das Bild zeigt die Prozession, die nach dem Gottesdienst an der Marienkirche startete und über den Marktplatz zum Schwörplatz führte.                                                                      © M. Dauenhauer

Seit dem 14 Jahrhundert bis 1802 war Reutlingen eine Freie Reichsstadt und der Schwörtag ein zentrales politisches und gesellschaftliches Ereignis, welches immer am 2. Sonntag nach dem 4. Juli, gefeiert wurde. An diesem Tag wurde jährlich der Bürgermeister gewählt, vorgestellt und vereidigt und die Bürgerschaft auf die neue Regierung eingeschworen. In Erinnerung an die alte Zeremonie wurde dieser Brauch 2004 wieder eingeführt – ohne rechtliche Bindung.

BLOG Wappen Reutlingen

Das Bild zeigt den Fahnenträger mit dem Wappen der Stadt Reutlingen             © M. Dauenhauer

Das Schwören (bei etwas, was einem heilig war) sollte die Person an seinen Entschluss binden, zumal wenn öffentlich bzw. vor Zeugen geschworen wurde. Damit gab es kein Zurück mehr, denn man hätte sein Gesicht verloren und folglich seine Ehre. Darum mussten dann z.B. Racheschwüre, die im ersten aufgewühlten emotionalen Moment formuliert worden waren auch vollstreckt werden, selbst wenn nach einer Nacht und dem Abkühlen der ersten intensiven Gefühle eine alternative Reaktion denkbar gewesen wäre.  Dann konnte man nicht wie später Adenauer sagen: „Was interessiert mich mein Geschwätz von gestern!?“

Eigentlich ist es ja traurig, dass überhaupt geschworen werden muss. Einen Schwur oder einen Eid abzulegen soll bekräftigen, was man gesagt hat. Aber sollte es nicht immer stimmen, was man behauptet? Interessanterweise wandte sich Jesus in der Bergpredigt gegen die traditionelle Schwurpraxis und lehnte das Schwören in jeglicher Form ab. Stattdessen solle das „Ja“ ein „Ja“ und das „Nein“ ein „Nein“ sein. Dies ist durchaus zweckmäßig, denn sonst muss ja an allen Aussagen, die nicht unter Eid oder durch Schwur bekräftigt wurden, gezweifelt werden.

Der Wert eines Versprechens – so lehrt es uns der Alltag aber auch die Beobachtungen in Wissenschaft, Religion, Wirtschaft oder Politik – zeigt sich in dessen Einhalten, also in der Verlässlichkeit und nicht in irgendeiner Bekräftigungsformel. Wahrhaftigkeit  zählt mehr als jede Eidesformel.

In der Jugendsprache hat das Bekräftigen wieder Eingang gefunden mit dem: „Ich schwör!“. Dabei gewinnt mal als Hörer eher den Eindruck, dass man gerade bei solchen Formulierungen eher am Wahrheitsgehalt zweifeln sollte. Die Bekräftigung kann sogar das Gegenteil vom gewünschten Effekt erzielen.

So, und nun komme ich, das ist so sicher, wie das Amen in der Kirche, langsam zum Ende meiner Ausführungen. Ganz bestimmt! Bombensicher! Hundertpro! Ehrlich! Kannst mir glauben! Versprochen! Totsicher! Ich geb´s Dir schriftlich! Ne wirklich! Ich schwör!

Was ich noch sagen wollte:  … nee lassen wir das. Was man versprochen hat, muss man halten.   😉

© Matthias Dauenhauer – Praxis Doppelpunkt