Die innere Haltung

Engel können fliegen, weil sie sich selbst nicht so schwer nehmen. (aus Schottland) - www.doppelpunkt-praxis.de

Engel können fliegen, weil sie sich selbst nicht so schwer nehmen. (aus Schottland)

Über diesen Satz bin ich dieser Tage gestolpert, und er hat mich angesprochen. Ich begann zu überlegen, was mich genau daran angesprochen hat. Zum einen war es die Tatsache, dass zunächst einmal davon ausgegangen wird, dass es Engel gibt. Laut einer Umfrage von Forsa glauben 66% der Deutschen an Engel, während nur 64% an einen Gott glauben. Dann ist für den Sprecher des Satzes ganz offenbar klar, dass Engel fliegen können. Wer an Engel glaubt, wird vermutlich auch das bejahen. Irgendwie gehört das ja ganz klassisch ins Bild der Engel. Wozu sonst hätte ein Engel denn Flügel? Und schließlich werden Engel in aller Regel mit Flügeln abgebildet. Woran sonst würde man denn erkennen, dass dies ein Engel sein soll?
Aber nun die Erklärung, WARUM Engel fliegen können. Die gefällt mir, denn sie ist so gar nicht physikalisch. Es wird hier den Engeln unterstellt, dass ihr Flugvermögen etwas mit ihrer inneren Haltung zu tun hat. Das hat mir imponiert. Es hat mir vor allem deswegen imponiert, weil es die einzige Erklärung ist, die hier gegeben wird. Es scheint also, dass die innere Haltung die ganze Kunst daran ist. Toll!

Meine eigene innere Haltung kann ich beeinflussen. Hier ist eine zentrale Schaltstelle meiner Macht über mein Leben. Ich habe es in der Hand, was ich wie schwer oder leicht nehmen möchte.

Autor: Ulrike Dauenhauer – Praxis Doppelpunkt

DOPPEL:PUNKT – Der kleine Unterschied

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Im Gegensatz zu einem Punkt, welcher das Ende eines Satzes markiert (auch umgangssprachlich: „Jetzt mach aber ´mal einen Punkt!“) will der Doppelpunkt zeigen: Es geht noch weiter! Es folgt noch eine Information oder sogar eine Aufzählung. Der Doppelpunkt stellt somit eine Ankündigung dar, eine Andeutung, dass es weiter geht, dass es noch nicht vorbei ist. Er beendet zwar eine Aussage und macht zugleich deutlich, dass etwas Neues beginnt.
Dies war übrigens einer der Gründe, warum wir unserer psychotherapeutischen Praxis einen Namen mit Bedeutungshintergrund gegeben haben und nicht einfach nach unserem Nachnamen. Wir wollten schon im Namen deutlich machen wovon wir überzeugt sind: dass eine Krise nicht das Ende bedeutet oder der Weltuntergang ist. Es gibt ein Danach! Irgendwie geht es weiter. Das gilt es herauszuarbeiten. Dabei wollen wir unterstützen, helfen, erleichtern. Der Doppelpunkt macht den Unterschied zwischen Resignation und Hoffnung.
Wenn man den Doppelpunkt aber nicht wie üblich als zwei Punkte über-, sondern nebeneinander schreibt, hat dies wieder eine andere Bedeutung. Diese zwei Punkte verändern im deutschen die Vokale. Aus A wird Ä und aus U wird Ü und aus O wird Ö.
Bei einem bestimmten Verb führen diese zwei kleinen Pünktchen zu einem enormen Unterschied im zwischenmenschlichen Umgang. Es handelt sich um die Aufforderung: „Fordern“. Der Doppelpunkt auf dem o macht aus „fordern“ ein „fördern“. Und dass sich das für den Empfänger der Botschaft sehr viel anders anhört und anfühlt, dürfte leicht nachvollziehbar sein.
Gerade jetzt in den letzten Wochen des Jahres fallen wieder viele in den Herbst- und Winter-Blues. Die Depression in der dunklen Jahreszeit macht so manchem zu schaffen. Gerne macht man diesen Leidenden sanften Druck und fordert: „Geh doch mal spazieren! Draußen scheint die Sonne! Das tut dir gut!“ Was der Laie nicht weiß: der depressiv Erkrankte möchte – und kann nicht! Statt ihn zu fordern, wäre es hilfreicher, ihn zu fördern: „Draußen scheint die Sonne! Ich mache jetzt einen kurzen Spaziergang. Wenn Du möchtest, kann Du mich begleiten!“ Hier wird dem Depressiven die Wahl gelassen. Ich respektiere seinen Wunsch oder akzeptiere seine Grenzen. Auch muss ich damit leben, wenn er meine Einladung ablehnt. Aber er fühlt sich gefördert statt gefordert. Was fühlt sich besser an?
Diese und andere Gedanken zum Umgang mit depressiven Menschen findet sich in meinem Buch: „Und wo bleibe ich? Leben mit depressiven Menschen. Ein Leitfaden für Angehörige“. Es wurde in den 90er Jahren verfasst, als die Aufklärung über die Volkskrankheit Depression noch in den Kinderschuhen steckte. Inzwischen ist das Buch in der vierten Auflage für 12,40 € im Handel und es gibt auch eine französische Übersetzung.
© Matthias Dauenhauer

Vergiss Kränkungen, doch vergiss Freundlichkeiten nie. (Konfuzius)

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Es ist ja bekanntlich alles eine Frage der Perspektive. Auch Kränkungen können sich verändern, wenn wir die Perspektive darauf verändern. Das fällt nicht immer ganz leicht.

Ich habe in meinem Umfeld jemanden, den ich oft als mich kränkend erlebt hatte. Inzwischen überlege ich, ob nicht manche körperliche Krankheit in meinem Leben auch damit zusammen hing, dass ich mich habe kränken lassen. Lange habe ich verschiedene Wege gesucht, damit umzugehen. Mein Bestreben dabei war zunächst, die Beziehung zu diesem Menschen zu verbessern. Dieser Versuch lehrte mich zu erkennen, dass ich diese Beziehung so nicht ändern konnte, weil ich darin immer die innere Erwartung hatte, dass sich das Gegenüber ändern würde, wenn es mich verstünde. Mein Bemühen enthielt also die Annahme, der andere müsse sich (auch) ändern, damit etwas besser würde.

Nachdem mir klar geworden war, dass es immer scheitern würde, wenn ich meinen Anspruch auf Veränderung meines Gegenübers aufrechterhalten würde, änderte ich meine Strategie. Mein Fokus fiel darauf, meine Sicht auf mein Gegenüber zu verändern. Dies war doch auch ein Mensch mit Ängsten und Grenzen, jemand, der sicher Frieden wollte (in seinem Herzen und vermutlich auch mit mir), jemand, der nicht als böswilliges Wesen auf diese Welt gekommen war. Diese Person war sicher oft auch verletzt – vermutlich auch von mir – und sicher oft hilflos mir gegenüber – wie ich ja auch. Dieses Menschenkind war bestimmt oft auch unsicher und es hatte seine eigene Geschichte – mit Verletzungen und Verunsicherungen in seinem Leben – und handelte vermutlich oft so, wie es eben glaubte, handeln zu können (und auch in diesem Punkt gleichen wir uns).

Ich begann, die Kränkungen weniger als gegen mich persönlich zu sehen, als vielmehr als Ausdruck der Geschichte meines Gegenübers und seiner Grenzen und Hilflosigkeiten. Mir half diese Perspektive, mich weniger oft gekränkt zu erleben. Gleichzeitig konnte ich zunehmend gelassener auf die entsprechende Person reagieren. Und je mehr ich den Menschen mir gegenüber sah, desto mehr vergaß ich die Kränkungen, die stattgefunden hatten. Das war sehr heilsam für mich.

Damit ist die eine Seite der Empfehlung von Konfuzius sozusagen abgearbeitet. Die andere Seite ist jedoch nicht weniger wichtig. Und hierbei muss es nicht um Freundlichkeiten der Person gehen, von der wir uns als gekränkt erlebten. Es können ganz andere, völlig unabhängige Freundlichkeiten sein, die uns widerfahren, die es zu bewahren gilt (siehe Foto). Hilfreich ist, sich die kleinen schönen Momente, die Freundlichkeiten, die hellen Momente aufzuschreiben, um das Gedächtnis darin zu trainieren, diese überhaupt wahrzunehmen und ihnen in der Folge eine größere Wichtigkeit zu verleihen. Wir können lernen, unseren Fokus im Alltag zu verschieben von „ich werde ständig gekränkt“ zu „mir passieren wirklich schöne Dinge“. Diese schönen Dinge müssen keine großen Aktionen sein. Das kann die Geste sein, dass jemand die Fahrstuhltür auf hält, damit wir noch mitfahren können oder die Freundlichkeit, mit der wir beim Bäcker bedient worden sind. Es können Worte der Freundschaft oder Wertschätzung sein, die jemand für uns hat oder die Freude, die jemand zeigt, weil wir ihm etwas Schönes sagen.

Je mehr ich den Blick auf die Freundlichkeiten zu richten lerne, desto mehr solcher schönen Momente werde ich erleben.

Autor: Ulrike Dauenhauer

(K)Eine nette Geste …

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Ende August besuchten wir eine sehenswerte Vorstellung im Naturtheater Reutlingen. In der Pause entdeckte ich diverse Insekten, die an Wänden saßen, auf dem Boden krochen und auch umher flogen. Darunter waren auch sogenannte Stinkwanzen. Und vielleicht ist es kein Zufall, dass eine sich meinen Mittelfinger als Lande- bzw. Startbahn ausgesucht hat 😉

Der in die Höhe gestreckte Mittelfinger gilt in vielen Ländern als der Stinkefinger und ist eine beleidigende Geste. Ähnliches gilt für den Zeigefinger an der Stirn: „Einen Vogel zeigen“ ist in Deutschland sogar strafbar.
Die Zahl der Gesten, die mit Fingern oder Händen eine sprachliche Aussage unterstützen, ergänzen oder sogar ersetzen, ist enorm (eine ansehnliche Sammlung kann bei Wikipedia eingesehen werden). Darunter ist seit Cäsars Zeiten der Daumen, der nach oben oder unten gestreckt wird. Auch die Geste für einen Schwur, das Victory-Zeichen oder das Händefalten scheint unmissverständlich.

Aber es gilt aufzupassen: Die Formung eines „o“ mittels Daumen und Zeigefinger gilt in Deutschland, der Schweiz und in Österreich als Zeichen für „ok“. Auch für Taucher, die unter Wasser auf nonverbale Kommunikation angewiesen sind, steht diese Geste für „alles gut“. Es gibt jedoch auch Kulturen, in denen genau dieses Zeichen eine massive Beleidigung darstellt, denn in diesen Ländern wird das „o“ als Schließmuskel interpretiert: Arschloch. So wird aus einer gut gemeinten, netten Geste eine Beleidigung.

Gesten unterstützen die verbale Sprache und sind manchmal vielsagender als gesprochene Worte. Denn die Gestik wird normalerweise nicht kontrolliert, sondern entspringt dem Unbewussten, durchläuft im Gegensatz zur Sprache keinen Filter und wird unzensiert gezeigt. Gesten sind ehrlicher als Worte!

In manchen Kulturen – eher südlich der Alpen – wird wesentlich mehr gestikuliert als im „kühlen“ Norden. Darum sagt man auch scherzhaft: „Was ist ein Italiener, der beidseitig armamputiert ist? … Er ist sprachbehindert!“

Im erweiterten Sinne gibt es auch Gesten, die nicht mit Fingern oder Händen gezeigt werden. Es sind Handlungen, die man als nette Geste bezeichnet. Bei einer Einladung einen Wein, oder Knabbereien oder Blümchen mitbringen. Eine Kondolenzkarte bei einem Trauerfall schreiben. Mut zusprechen, wenn jemand eine Prüfung vor sich hat oder eine kleine Aufmerksamkeit überreichen, wenn er sie bestanden hat. Diese und zahlreiche andere Gelegenheiten bieten sich für eine nette Geste an.

Ich persönlich will in Zukunft wieder mehr darauf achten, solche netten Gesten zu zeigen.
© Matthias Dauenhauer

Wer die Wahl hat …

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Am Dienstag, den 8. November2016, wird in den USA der 45. Präsident gewählt. Oder eine Präsidentin. Die Bürger haben die Wahl und Medienberichten zufolge sind beide Kandidaten der zwei großen Parteien so unbeliebt, wie noch nie zuvor. Wenn ein US-Bürger überhaupt wählt, dann vielleicht eher, um einen Kandidaten zu verhindern, den man für noch schlimmer hält. Wer die Wahl hat, hat die Qual! Es ist die Wahl zwischen zwei Übeln, zwischen Pest und Cholera und es gilt, das kleinere Übel zu wählen. Am Mittwoch wissen wir mehr.

Nur wenige (Amerikaner) wissen, dass noch mehr Kandidaten zur Wahl stehen. Es ist beileibe nicht nur Donald Trump und Hillary Clinton. Die anderen spielen medial keine große Rolle und können realistisch betrachtet nicht in die Entscheidung eingreifen. Aber sie stehen zur Wahl! Das heißt, diese Dichotomie, dieses Entweder-Oder, dieses Schwarz-Weiß-Denken existiert eigentlich nur in den Köpfen. In Wahrheit gäbe es Alternativen.

Das zeigt auch ein Blick in die Geschichte: Seit 1853 gab es nur noch Präsidenten, die entweder von den Republikanern oder den Demokraten gestellt wurden. Zwischen der Gründung der USA 1776 bis 1853 stellten auch drei (!) andere Parteien den Präsidenten und der allererste, George Washington, war parteilos.

Ist es nicht auch im eigenen Leben so: ich denke: „Ich habe keine Wahl!“ Oder bestenfalls zwischen zwei Übeln. Oder umgekehrt: Ich muss mich zwischen zwei Alternativen entscheiden, die beide gleichwertig gut sind. So soll nach einem philosophischen Gleichnis Buridans Esel verhungert sein, weil er zwischen zwei Heuhaufen stand und sich nicht entscheiden konnte, von welchem er fressen soll. Dieses Dilemma nennt man auch Deadlock, eine Situation, in der sich beide Alternativen gegenseitig blockieren.

Weithin bekannt ist dieses Denken von bestenfalls einer Alternative. Entweder – oder. Das Glas ist entweder halbvoll oder halbleer. Es steht für Optimisten oder Pessimisten. Und eben für die Qual der Wahl. Eine dritte Möglichkeit scheint es nicht zu geben außer diesen beiden Sichtweisen. Vor Jahren wurde mir die Frage gestellt, was ein Ingenieur über dieses Glas sagen würde. Ich hatte keine Idee. Die Antwort lautete: „Der Ingenieur sagt: Das Glas ist doppelt so groß, wie es sein müsste!“ Er lenkt die Aufmerksamkeit vom Inhalt auf das Gefäß. Und schon habe ich eine dritte Sichtweise! Und wer weiß, ob es nicht noch mehr gibt.

In einer meiner vielen Fortbildungen wurden wir immer wieder darauf getrimmt, nach weiteren Alternativen zu suchen und sich nicht auf die scheinbare Entweder-Oder-Schiene zu begeben.

Das Leben ist nicht Schwarz-Weiß. Es hat zumindest viele Graustufen. Und bei genauerer Betrachtung muss ich sagen: Das Leben ist farbig. Manchen wird es vielleicht zu bunt. Dann reduzieren sie, vereinfachen zu Schwarz-Weiß, zu Entweder-Oder. Ich persönlich freue mich über die Farben, die Buntheit, die Vielfalt und die zahlreichen Alternativen, die das Leben bietet.

© Matthias Dauenhauer

Tag der Reformation

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Am 31. Oktober war Reformationstag. In wenigen Bundesländern ist er gesetzlicher Feiertag. Wenn sich 2017 der Thesenanschlag zum 500sten Mal jährt, wird ausnahmsweise bundesweit Feiertag sein.
Luther hat mutig und letztlich unter Gefahr für Leib und Leben die damaligen kirchlichen Missstände angeprangert. Er wagte 1521 den Gang zum Reichstag nach Worms, um sich vor Kaiser und den päpstlichen Gesandten zu rechtfertigen. Ja, es wurde ihm freies Geleit zugestanden. Allerdings kannte Luther auch das Schicksal eines anderen Reformators: Jan Hus wurde ca 100 Jahre zuvor auch freies Geleit zum Konzil nach Konstanz versprochen. Er starb dort 1415 auf dem Scheiterhaufen …

Spannend ist für mich, wie sich Martin Luther verteidigt hatte. In seiner Rede beruft er sich nicht allein auf die Bibel, sondern auch auf die Vernunft:
„Wenn ich nicht durch Zeugnisse der Schrift und klare Vernunftgründe überzeugt werde; denn weder dem Papst noch den Konzilien allein glaube ich, da es feststeht, daß sie öfter geirrt und sich selbst widersprochen haben, so bin ich durch die Stellen der heiligen Schrift, die ich angeführt habe, überwunden in meinem Gewissen und gefangen in dem Worte Gottes. Daher kann und will ich nichts widerrufen, weil wider das Gewissen etwas zu tun weder sicher noch heilsam ist. Gott helfe mir, Amen!“

Der Gelehrte Luther beruft sich auf die Gewissensfreiheit, die es ihm erlaubt, Autoritäten anzuzweifeln. Weder die Tradition an sich, weder die Zusammenkunft vieler Kardinäle und Theologen bei einem Konzil, noch das höchste Kirchenoberhaupt selbst, der Papst, ist in der Lage, den Schriftbeweis aus der Bibel aufzuwiegen. Aber nicht nur Bibeltexte sind ihm wichtig, sondern auch Gründe der Vernunft.

Kant sollte sehr viel später (1784) einmal formulieren „Habe Mut, dich deines Verstandes zu bedienen!“ Er wurde zum Leitspruch der Aufklärung. Aber weniger bekannt ist eine Aussage des Dichters Horaz, der ca. 20 v.Chr. schon aufforderte: „Sapere aude!“ („Entschließe dich zur Einsicht!“ oder „Wage es, weise zu sein!“)

Für viele scheint der Verstand ein unüberbrückbarer Gegensatz zum christlichen Glauben zu sein. Durch die Ergebnisse der wissenschaftlichen Forschung sei der Glaube gefährdet. Und dieser Glaube wird höher geachtet als die Vernunft. Wird der Glaube so aber nicht zu einem blinden Glauben? Und aus blindem Glauben schließlich blinder Gehorsam? Manchen Frommen ist der Mut abhandengekommen, selbst vernünftig nachzudenken.

Wissenschaft und Glaube sind eine sinnvolle Ergänzung. Und niemand hat es besser formuliert, als der Nobelpreisträger für Physik, Steven Weinberg: „Das Verdienst der Naturwissenschaften besteht nicht darin, dass sie es den Menschen unmöglich macht, gläubig zu sein, sondern, dass sie es ihnen möglich macht, ungläubig zu sein!“

Dank der Vernunft und des Verstandes, dank der Naturwissenschaften, die sich dieser bedienen, ist man nicht mehr gezwungen, alles zu glauben. Zweifeln ist erlaubt. Dass bereits der Reformator Luther lange vor dem Zeitalter der Aufklärung darauf hingewiesen hatte, ist mir erst dieses Jahr bewusst geworden.

Und ein letzter Gedanke: Wie kann ich den Reformationstag ganz persönlich nehmen? Ich könnte ihn jährlich zum Anlass nehmen, darüber nachzudenken, was ich in meinem persönlichen Leben verändern will. Was soll eine „neue Form“ erhalten? Was soll wieder in seinen ursprünglichen Sinn „zurück geformt“ werden? Vielleicht steckt in jedem von uns ein kleiner Martin Luther 😉

© Matthias Dauenhauer

Wenn sich Interessen widersprechen

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Es gibt nicht wenige Menschen, die ein Herz für Tiere besitzen. Sie beherbergen Katzen, importieren Straßenhunde aus Spanien, füttern Schwäne am See, hängen ein Vogelhäuschen im Garten auf oder aber sie füttern Tauben in der Stadt.
Dass dies nicht jedem gefällt, ist nachvollziehbar: Tauben in der Stadt machen viel Dreck, auf Dächern, Fenstersimsen und Denkmälern und manchmal treffen sie auch die Bluse oder die Glatze von Passanten, Anwohner fühlen sich auch vom Lärm und vom Geruch belästigt. Außerdem gelten die Tauben als die Ratten der Lüfte und als Verbreiter von Krankheiten und Parasiten.

Die einen wollen ihr berechtigtes Interesse nach Sauberkeit und Gesundheit durchsetzen, die anderen ihr Bedürfnis nach Tierschutz. Inzwischen haben die meisten Städte das Füttern von Tauben verboten. In Stuttgart können bei Zuwiderhandlungen empfindliche Strafen verhängt werden (siehe Foto).
Es gibt viele Bereiche, in denen sich die Bedürfnisse und Interessen von Menschen nicht decken, oder sogar gegensätzlich sind:

Beim Wetter wünscht sich der eine Regen für seinen Garten, der andere Sonnenschein für seine Freizeitaktivitäten.
Der Vermieter freut sich über steigende Mieten, weil er damit seine Rente aufbessert, der Mieter hofft auf jahrelange Mietpreisstabilität, um seine Kosten überschaubar zu halten.
Der eine freut sich über Zuwanderung und MultiKulti, der andere hat Angst vor Überfremdung.
Der Ehemann will den Urlaub am Meer verbringen, seine Frau will in den Bergen wandern. Die Beispiele kann man endlos fortsetzen.

Wie soll man miteinander umgehen, wenn sich die Wünsche nicht auf einen Nenner bringen lassen? Welche Kriterien kann man anwenden, wenn die Bedürfnisse diametral entgegen gesetzt sind?
Bei der Lösung ist Toleranz und Kreativität gefragt. Bei der Frage nach dem Urlaubsort könnte man von Jahr zu Jahr abwechseln (man könnte sogar getrennte Urlaube in Erwägung ziehen). Diese Lösung wäre für das Taubenfüttern nicht praktikabel: an geraden Datumstagen darf gefüttert werden, an ungeraden nicht. Eher geht es um Fragen nach den Konsequenzen. Sind Tauben vom Aussterben bedroht? Wie hoch ist das Krankheitsrisiko für die Tauben, andere Tiere oder gar Menschen. Wie ist es um das natürliche Gleichgewicht bestellt? usw.
Im Dialog zwischen Menschen mit unterschiedlichen Bedürfnissen ist es wichtig, dem anderen erstmal aufmerksam zuzuhören. Was ist sein Anliegen? Aus welcher Motivation heraus trifft er seine Entscheidungen. Wovor hat er Angst? Was ist sein Ziel?

Aus dem Konfliktmanagement (nach dem Harvard-Konzept) kennt man folgendes Beispiel: Zwei Schwestern streiten sich um die letzte Orange in der Küche. Jeder will sie für sich haben. Eine mögliche Lösung könnte im Halbieren der Orange bestehen, aber in unserem Fall wären beide Schwester nicht glücklich. Die Mutter fragt nach, wofür sie die Orange verwenden möchten und es stellt sich heraus, dass die eine Tochter frisch gepressten Orangensaft trinken möchte, während die andere nur die Schale zur Verwendung in einem Kuchen zum Backen benötigt. Jetzt ist die Lösung einfach und führt zu optimaler Zufriedenheit bei den Beteiligten.
Nach der bewährten Harvard-Methode zum Umgang mit Konflikten trennt man zunächst zwischen der Person und der Sache. Dann konzentriert man sich auf die Interessen beider Parteien, sammelt mögliche Lösungen, die dem gegenseitigen Nutzen dienen. Abschließend sucht man gemeinsam nach möglichst „objektiven“ Kriterien, um die Lösung zu beurteilen und zu bewerten. Übrig bleibt ein Lösungsvorschlag, der für beide eine maximale Befriedigung der Bedürfnisse sichert.

Ich wünsche mir in unserer Gesellschaft mehr Sachlichkeit, Toleranz und Kreativität im Umgang mit gegensätzlichen Zielen.

© Matthias Dauenhauer – Praxis Doppelpunkt

Unerfüllte Wünsche

Es gibt ein erfülltes Leben trotz unerfüllter Wünsche. (Dietrich Bonhoeffer) - www.doppelpunkt-praxis.de

Eins gleich mal vorweg: Ich träume auch und habe Wünsche. Wünsche und Träume sind durchaus gute Dinge. Dennoch haben sie manchmal auch so ihre Tücken. Um die soll es mir heute gehen:

Viele Menschen glauben, dass sie glücklich werden, wenn sie gewisse Dinge erreichen oder sich bestimmte Dinge um sie herum verändern. Bisweilen wird dann auch viel Kraft da hinein gesteckt. Es wird viel daran gearbeitet – an der Figur oder um genügend Geld zu erwirtschaften – oder gehofft, dass andere dazu etwas beitragen. „Wenn dies und das geschieht, dann wird es mir gut gehen, dann werde ich glücklich“, lauten die Sätze, die ich dann oft höre.
Ich finde es gut, wenn Menschen Ziele und Visionen haben. Problematisch wird es in meinen Augen, wenn von der Erfüllung solcher Wünsche mehr oder minder das ganze Lebensglück abhängig gemacht wird. Warum das meines Erachtens problematisch ist: Wenn der Wunsch nicht zu 100% erfüllt werden kann, folgt bei manchen Menschen eine tiefe Depression. Das Glück, die eigene Zufriedenheit wird im Außen gesucht. Zufriedenheit ist aber etwas, was ich in mir finden muss und nur dort finden kann.
Solange sich ein Mensch ablehnt, weil er IN SEINEN AUGEN bestimmten Kriterien nicht genügt, solange jemand SICH SELBST für irgendetwas abwertet, wird ihn das erreichte Teilziel nicht mit Stolz erfüllen und zufrieden machen. So werden dann Teilerfüllungen von Wünschen als Nicht-Erfüllung erlebt und führen geradewegs wieder in Frustration und Trauer.
Solange ich Erfüllung und Zufriedenheit im Außen suche, werde ich im Innen nicht wirklich glücklich werden. Es lohnt sich, die Suche nach innen zu verlagern und die Schätze im eigenen ICH zu heben. Für mich ist es jedes mal bewegend, wenn jemand seine eigenen schönen, liebenswerten Seiten entdeckt. Ich begleite sehr gern Menschen auf dieser Entdecker-Tour ins Ich.

Autor: Ulrike Dauenhauer – Praxis Doppelpunkt

MEIN GLOBUS

Globus Eine Welt One World

Bei einem Spaziergang durch die Tübinger Altstadt habe ich in einem Schaufenster das obige Bildmotiv entdeckt. Fünf Globen hängen von der Decke, von innen beleuchtet und gegen den dunklen Hintergrund scheinen sie im All zu schweben.
Die kugelförmige Darstellung des Planeten Erde ist nicht neu, so mancher Schüler hatte ein drehbares Modell auf seinem Schreibtisch stehen. Der erste Globus wurde wahrscheinlich um 150 v.Chr. konstruiert. Mit dem Zugriff auf google earth scheint dies nicht mehr zeitgemäß.

Dennoch sind die dreidimensionalen Abbildungen unseres Heimatplaneten immer wieder faszinierend, u.a. weil die Größen der Länder maßstabsgetreu abgebildet werden und nicht wie bei Kartenmaterial einer Verzerrung unterliegen.
Der vermutlich größte Globus steht in New York im Stadtteil Queens. Er soll die Anwohner daran erinnern, dass ihre Nachbarn aus allen Teilen der Welt stammen. Das finde ich bemerkenswert, denn die USA als Ganzes, und New York speziell gelten ja als Schmelztiegel der verschiedenen Völker.

Das Foto mit Globen könnte die Assoziation auslösen, wir hätten mehrere Globen zur Verfügung. Und manchmal leben wir auch so, als gäbe es Reserve-Erden. Unser Umgang mit der Natur, mit den Ressourcen und der Umwelt ist oftmals gedankenlos oder von der Mentalität „Nach uns die Sintflut“ geprägt.

Der Theologe Martin Niemöller hat bereits 1964 seine Reden unter dem Titel „Eine Welt oder keine Welt“ veröffentlicht. Darin mahnt er die wechselseitige und gemeinsame Verantwortung der Völker und ihre Solidarität an. Es geht nur miteinander. Der Alltag und die Nachrichtenlage offenbaren, dass die Menschen auch Jahrzehnte später noch nicht so miteinander umgehen.

Eine Unterteilung der Welt in 1. Welt, 2. Welt und 3. Welt ist künstlich. Die „Eine-Welt“-Bewegung versucht dem das Bewusstsein entgegen zu setzen, dass unsere Welt einzigartig ist. Globalisierung und Vernetzung sind moderne Begriffe, aber noch immer scheinen nicht alle Politiker ihre Entscheidungen danach auszurichten.
Es bleibt viel zu tun – es bleibt nicht mehr viel Zeit. Ein Globus kann helfen, umzudenken!

© Matthias Dauenhauer – Praxis Doppelpunkt

Die Welt verändern

Wenn ich mich verändere, verändere ich die Welt. (Gloria Anzuldua) - www.doppelpunkt-praxis.de

Es gibt ja so einiges in dieser Welt, woran man sich stören kann. Umweltverschmutzung, Politik, Bedingungen in unserer Gesellschaft und vieles mehr.

Ich höre zu oft, dass „die da oben“ dies und das anders machen müssten. Das ist im Prinzip sicher auch oft gar nicht falsch. Aber „wir hier unten“ haben auch eine große Macht, wenn nicht sogar die viel größere. Wir können viel verändern, wenn wir uns aus der Komfortzone heraus wagen und beginnen, in unserem Leben, in unserem Alltag, in unserem persönlichen Umfeld etwas zu verändern. Das darf ja zunächst ganz klein sein. Ob es sich um Müllvermeidung handelt oder um einen sorgsamen Umgang mit unseren Ressourcen, um Produkte, die wir kaufen – oder eben meiden – oder um noch ganz andere Dinge, kann jeder für sich entscheiden. Wichtig ist, dass wir wieder unsere eigene Verantwortung wahrnehmen und nicht permanent versuchen, diese abzugeben an Politiker oder Konzerne, an Ärzte oder Lehrer oder sonst wen. Wir haben jede Menge Möglichkeiten, gerade in unserem Land. Bewusst leben und entscheiden, Verantwortung für sich und sein Handeln übernehmen, Vorbild sein und andere mitreißen in diesem Tun, etwas für andere tun, sich engagieren, das sind nur einige der Möglichkeiten, die wir hier haben.

Ich wünsche mir Menschen, die weniger jammern und dafür mit überlegen, was wir tun können, damit es uns allen gut geht und wir alle von dem Reichtum, den wir in Deutschland haben, profitieren.

Wer beginnt, sich für die Gemeinschaft oder für einzelne einzusetzen, merkt oft, wie gut ihm das selbst tut. Es ist also eine effektive Form der Selbsthilfe, wenn ich beginne, mich zu engagieren. Das stiftet Sinn im eigenen Leben, bringt Kontakte und Wertschätzung, bildet Gemeinschaft und bindet somit ein und schützt vor Einsamkeit. Das stärkt das Immunsystem und gibt der Seele Aufschwung.

Das Bild ist ein Geschenk an die Praxis. Da hat sich jemand für uns eingesetzt, seine Zeit und Möglichkeiten aufgewendet für uns. Wie schön. An dieser Stelle nochmals danke dafür.

Autor: Ulrike Dauenhauer – Praxis Doppelpunkt