Luther Jubiläumsjahr 2017 – oder Lernen vom Apfelbäumchen

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Martin Luther auf einer Briefmarke. Aus meiner Jugendzeit kenne ich diese gut, habe sie oft „geschleckt“, denn selbstklebende Marken gab es damals noch nicht. Sie schaffte ab ihrer Erscheinung im Sept. 1961 eine Auflage von fast 2,5 Milliarden! Diese Marke war nur bis zum 31.12.1970 gültiges Porto.

Die Sätze und Zitate von Martin Luther haben auch eine hohe „Auflage“. Der Reformator wird auch 500 Jahre nach seinem Thesenanschlag häufig zitiert. So manches Zitat des Theologen verliert seine Gültigkeit nicht.

Heute will ich auf ein Bonmot eingehen, welches Luther zugeschrieben wird. Allerdings gibt es keinen Beleg dafür (manches spricht dafür, dass es erst während des Zweiten Weltkrieges entstanden ist und dem Mönch in den Mund gelegt wurde).
„Wenn ich wüsste, dass morgen die Welt untergeht, würde ich heute noch ein Apfelbäumchen pflanzen.“
Würde ich das auch? Erste Reaktion beim Hören vor ein paar Jahrzehnten: „Schön blöd! Wenn ich wüsste, dass morgen die Welt untergeht, hätte ich Besseres zu tun!“

Beim Nachdenken über seine Aussage fielen mir zwei Dinge auf:

Erstens: Möglicherweise wollte er sagen, dass ich – obwohl ich „weiß“, dass morgen die Welt untergeht – mich täuschen könnte. Bleibt bei aller Gewissheit nicht eine Restunsicherheit? Besteht nicht eine kleine Chance, dass ich mich getäuscht habe?

Und selbst wenn man im göttlichen Auftrag spricht, wie in der Überlieferung des Alten Testaments der Prophet Jona, welcher der Stadt Ninive den Untergang ankündigte: es könnte sein, dass Gott seine Meinung ändert! Und dann?!
Also würde Luthers Satz aussagen: Selbst wenn Du Dir einer Sache ganz gewiss bist: rechne damit, dass es auch anders kommen könnte! Geh Deinem Tagewerk nach! Komme Deinen Verpflichtungen nach! Lebe, als ob es weiter gehen würde!
Dies muss nicht bedeuten, dass man die realen Gefahren ausblendet und leugnet. Aber es heißt, nicht in Schockstarre zu verfallen, wie das Kaninchen vor der Schlange. Lass Dich von Deinen Ängsten und Sorgen nicht gefangen nehmen! Lass Dich von diesem Schreckensszenario nicht fesseln!

Zweitens: Warum schrieb Luther: „… ein Apfelbäumchen pflanzen“? Warum nicht etwas tun, was am letzten Tag vor dem Weltuntergang noch Sinn macht? Brot backen, Stube aufräumen, Holz hacken … Aber ein Apfelbäumchen pflanzen? Ist das nicht absurd? Ein Bäumchen trägt doch frühestens nach 10 Jahren Früchte. Was ergibt das für einen Sinn? Möglicherweise ergibt sich aus der Absurdität der Sinn seiner Aussage: es geht nicht nur darum, für heute etwas Sinnvolles zu tun, sondern etwas, was Langzeitauswirkungen hat. Ich werde tätig mit einer Aufgabe, deren Folgen in der Zukunft liegen. Und das, obwohl die Situation heute ganz nach Weltuntergang aussehen mag.

Viele sagten schon in den 70er Jahren des letzten Jahrhunderts: in diese Welt kann man keine Kinder mehr setzen. Wegen der Gewalt … der Konflikte … des Klimas … der abnehmenden Rohstoffe … und wegen der machthungrigen Präsidenten oder Kanzler oder Könige usw. Ich höre diese Worte in den letzten Monaten auch wieder: die Welt ist schlecht, lasst uns die Hände in den Schoß legen, es hat eh alles keinen Sinn mehr.

Ob das Zitat nun von Martin Luther stammt oder nicht: Es macht in meinen Augen nicht nur eine Aussage, sondern gibt uns einen Auftrag: bei aller Gewissheit über das Übel in der Welt oder des nahen Weltuntergangs – steck den Kopf nicht in den Sand, lebe und arbeite weiter! Denn ganz sicher kann sich niemand sein. Nimm ein Projekt in Angriff, das Langzeitwirkung hat und vielleicht erst Jahre später Früchte trägt! Es muss kein Apfelbäumchen sein …
© Matthias Dauenhauer

Die innere Haltung

Engel können fliegen, weil sie sich selbst nicht so schwer nehmen. (aus Schottland) - www.doppelpunkt-praxis.de

Engel können fliegen, weil sie sich selbst nicht so schwer nehmen. (aus Schottland)

Über diesen Satz bin ich dieser Tage gestolpert, und er hat mich angesprochen. Ich begann zu überlegen, was mich genau daran angesprochen hat. Zum einen war es die Tatsache, dass zunächst einmal davon ausgegangen wird, dass es Engel gibt. Laut einer Umfrage von Forsa glauben 66% der Deutschen an Engel, während nur 64% an einen Gott glauben. Dann ist für den Sprecher des Satzes ganz offenbar klar, dass Engel fliegen können. Wer an Engel glaubt, wird vermutlich auch das bejahen. Irgendwie gehört das ja ganz klassisch ins Bild der Engel. Wozu sonst hätte ein Engel denn Flügel? Und schließlich werden Engel in aller Regel mit Flügeln abgebildet. Woran sonst würde man denn erkennen, dass dies ein Engel sein soll?
Aber nun die Erklärung, WARUM Engel fliegen können. Die gefällt mir, denn sie ist so gar nicht physikalisch. Es wird hier den Engeln unterstellt, dass ihr Flugvermögen etwas mit ihrer inneren Haltung zu tun hat. Das hat mir imponiert. Es hat mir vor allem deswegen imponiert, weil es die einzige Erklärung ist, die hier gegeben wird. Es scheint also, dass die innere Haltung die ganze Kunst daran ist. Toll!

Meine eigene innere Haltung kann ich beeinflussen. Hier ist eine zentrale Schaltstelle meiner Macht über mein Leben. Ich habe es in der Hand, was ich wie schwer oder leicht nehmen möchte.

Autor: Ulrike Dauenhauer – Praxis Doppelpunkt

Wer die Wahl hat …

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Am Dienstag, den 8. November2016, wird in den USA der 45. Präsident gewählt. Oder eine Präsidentin. Die Bürger haben die Wahl und Medienberichten zufolge sind beide Kandidaten der zwei großen Parteien so unbeliebt, wie noch nie zuvor. Wenn ein US-Bürger überhaupt wählt, dann vielleicht eher, um einen Kandidaten zu verhindern, den man für noch schlimmer hält. Wer die Wahl hat, hat die Qual! Es ist die Wahl zwischen zwei Übeln, zwischen Pest und Cholera und es gilt, das kleinere Übel zu wählen. Am Mittwoch wissen wir mehr.

Nur wenige (Amerikaner) wissen, dass noch mehr Kandidaten zur Wahl stehen. Es ist beileibe nicht nur Donald Trump und Hillary Clinton. Die anderen spielen medial keine große Rolle und können realistisch betrachtet nicht in die Entscheidung eingreifen. Aber sie stehen zur Wahl! Das heißt, diese Dichotomie, dieses Entweder-Oder, dieses Schwarz-Weiß-Denken existiert eigentlich nur in den Köpfen. In Wahrheit gäbe es Alternativen.

Das zeigt auch ein Blick in die Geschichte: Seit 1853 gab es nur noch Präsidenten, die entweder von den Republikanern oder den Demokraten gestellt wurden. Zwischen der Gründung der USA 1776 bis 1853 stellten auch drei (!) andere Parteien den Präsidenten und der allererste, George Washington, war parteilos.

Ist es nicht auch im eigenen Leben so: ich denke: „Ich habe keine Wahl!“ Oder bestenfalls zwischen zwei Übeln. Oder umgekehrt: Ich muss mich zwischen zwei Alternativen entscheiden, die beide gleichwertig gut sind. So soll nach einem philosophischen Gleichnis Buridans Esel verhungert sein, weil er zwischen zwei Heuhaufen stand und sich nicht entscheiden konnte, von welchem er fressen soll. Dieses Dilemma nennt man auch Deadlock, eine Situation, in der sich beide Alternativen gegenseitig blockieren.

Weithin bekannt ist dieses Denken von bestenfalls einer Alternative. Entweder – oder. Das Glas ist entweder halbvoll oder halbleer. Es steht für Optimisten oder Pessimisten. Und eben für die Qual der Wahl. Eine dritte Möglichkeit scheint es nicht zu geben außer diesen beiden Sichtweisen. Vor Jahren wurde mir die Frage gestellt, was ein Ingenieur über dieses Glas sagen würde. Ich hatte keine Idee. Die Antwort lautete: „Der Ingenieur sagt: Das Glas ist doppelt so groß, wie es sein müsste!“ Er lenkt die Aufmerksamkeit vom Inhalt auf das Gefäß. Und schon habe ich eine dritte Sichtweise! Und wer weiß, ob es nicht noch mehr gibt.

In einer meiner vielen Fortbildungen wurden wir immer wieder darauf getrimmt, nach weiteren Alternativen zu suchen und sich nicht auf die scheinbare Entweder-Oder-Schiene zu begeben.

Das Leben ist nicht Schwarz-Weiß. Es hat zumindest viele Graustufen. Und bei genauerer Betrachtung muss ich sagen: Das Leben ist farbig. Manchen wird es vielleicht zu bunt. Dann reduzieren sie, vereinfachen zu Schwarz-Weiß, zu Entweder-Oder. Ich persönlich freue mich über die Farben, die Buntheit, die Vielfalt und die zahlreichen Alternativen, die das Leben bietet.

© Matthias Dauenhauer

Der schwere Schritt

Es ist immer einfacher das letzte Wort zu haben, als den ersten Schritt zu tun. (Ernst Reinhardt) - www.doppelpunkt-praxis.de

Vor vielen Jahren habe ich mich mal bei einer Freundin beklagt. Ich war damals mit meiner Ehe in einer Krise und war – wie wohl viele andere auch – von so manchem genervt. Besonders ärgerte mich, dass ich – nach meinem Erleben – in Konflikten immer den ersten Schritt tun musste, damit wieder etwas voran ging. Genau das klagte ich meiner Freundin. Doch statt Mitleid und Entlastung – was ich in diesem Fall erhofft hatte – erfuhr ich eine völlig andere Reaktion. Sie sagte zu mir: „Ulrike, wenn Du diejenige bist, die das kann, dann ist das Dein Job und dann hör auf zu meckern und mach ihn.“ Erstmal war ich platt. Das hatte ich so gar nicht erwartet. Aber beim weiteren Nachdenken über ihre Reaktion wurde mir manches deutlich. Menschen sind nun einmal sehr verschieden. Auch ein Ehepartner oder ein guter Freund ist so ganz anders „gestrickt“ als wir selbst. Das macht es uns im Miteinander bisweilen schwer. Gleichwohl ist diese Verschiedenartigkeit natürlich auch ein schöner Aspekt an Beziehungen. Als ich aber weiter nachdachte, ging mir auf, welch unterschiedliche Typen wir beide waren, er und ich. Er eher ruhig, ich eher temperamentvoll. Er eher zurückhaltend, ich eher drauf los und so weiter. Dabei musste ich feststellen, dass der erste Schritt für ihn wahrscheinlich wirklich sehr schwer war. Manchen Menschen mag das sogar grundsätzlich zu schwer sein, auch wenn sie nicht von dem Schlag sind, der immer das letzte Wort haben muss.

Im nächsten Zug machte ich mir klar, dass ich nicht möchte, dass man von mir Dinge verlangt, die ich nicht kann oder mich unter Druck setzt, schneller zu sein in einer Angelegenheit, die mir Mühe macht und nicht leicht von der Hand geht.

Warum also fange ich an, mich quasi zu weigern etwas zu tun, was doch im Grunde mir und meiner Natur entspricht, mir leicht fällt?
Ich glaube, dass dies daher kommt, dass wir irgendwann in einer Beziehung Gefahr laufen, das Rechnen anzufangen. Wie oft hat der oder habe ich dies oder das getan? Warum beginne ich, Dinge stärker zu gewichten, die ich getan habe, als die, die mein Partner getan hat?

Ich muss gestehen, dass ich auf diese warum-Frage keine Antwort habe. Aber allein die Erkenntnis, dass ich – wir alle – gefährdet sind, in diese Denkmuster zu geraten, kann helfen, sie eher zu entlarven und ihnen zu begegnen.

Für eine gelingende Partnerschaft sind viele Dinge wichtig, große und kleine, welche mit viel Zeitaufwand und solche mit weniger Zeitaufwand, kostspieligere und kostengünstige. In großen Zeiträumen gedacht, sollte sich das ausgleichen.

Auch wenn Du nicht derjenige bist, der gern das letzte Wort hat, mach den ersten Schritt.

Autor: Ulrike Dauenhauer – Praxis Doppelpunkt

Zeit haben

Keine Zeit ist keine Tatsache, es ist DEINE Entscheidung. - www.doppelpunkt-praxis.de

Da lese ich diesen Satz, dass es also MEINE Entscheidung ist, ob ich Zeit habe. Das finde ich im ersten Moment ziemlich ärgerlich. Es macht mich wütend. Mein Tag ist voll. Ein Termin folgt auf den nächsten. Viele Verpflichtungen fordern mich. Ich sehe zu, dass ich das alles irgendwie hinbekomme. Und dann sagt da jemand, es sei meine Entscheidung, ob ich Zeit habe. Das ist doch eine Frechheit. Ich bin so oft fremdbestimmt in meiner Zeit. Wie gern hätte ich Zeit für Dinge, die mir Freude machen, für Menschen, die mir wichtig sind. Aber ich habe diese Zeit eben nicht. So erleben das vermutlich viele Menschen. Aber ist es wirklich so?

Ich habe mich mal entschieden, den Beruf zu ergreifen, den ich aktuell ausübe. Da war mir klar, dass der viel Zeit von mir fordern wird. Und ich habe mich dafür entschieden. Es folgte die Selbständigkeit, die natürlich einen hohen zeitlichen Einsatz fordert. Auch dafür habe ich mich entschieden. In meiner Lebensplanung kamen Kinder vor. Sie wurden auch Realität, sind die größten Geschenke in meinem Leben. Zwar war meine Vorstellung davon, wieviel Zeit Kinder brauchen etwas anders als die beiden es mir dann zeigten, aber grundsätzlich war klar, dass Kinder viel Zeit brauchen würden. Und ich habe mich dafür entschieden. Ich habe eine alte Mutter. Diese Beziehung pflege ich so, wie es für mich richtig ist, was Zeit braucht. Und auch hier habe ich mich dafür entschieden, es so zu tun und daher diese Zeit zu haben. Und so könnte ich noch eine ganze Weile weiter machen. Wo ist also die Zeit, über die ich nicht selbst entscheide? Es gibt Krankheitszeiten, da läuft das anders mit der Zeit. Seltsamerweise haben wir da plötzlich Zeit für Dinge, für die wir vorher immer meinten, keine Zeit zu haben.

Ich gebe zu, dass ich es bisweilen schwierig finde, die Zeit da zu haben, wo ich es für eine bestimmte Sache ideal fände. Weiter gebe ich zu, dass es manchmal bequem ist zu sagen „ich habe keine Zeit, ich muss arbeiten (oder was auch immer an dieser Stelle kommen kann)“. Das ist für mich, als könnte ich für einen Moment ein wenig Verantwortung abgeben. Die Formulierung legt ja nahe, dass ich schon wollte, aber leider eben nicht kann, weil andere Dinge wichtiger sind. Das entlastet mich. Wenn ich aber ehrlich mit mir bin, muss ich mir eingestehen, dass es mehr Mühe kostet, dann zu schauen, wo und durch welche organisatorischen Maßnahmen ich die Zeit finde, ich für etwas haben möchte. Und wenn mir etwas oder jemand wichtig ist, lässt es sich nahezu immer realisieren, dass da die Zeit ist.

Wenn also jemand mich fragt, ob ich für ihn Zeit habe, kann die Antwort nicht sein, dass ich sie nicht habe, sondern …

Autor: Ulrike Dauenhauer

Eine folgenschwere Entscheidung

Jeder übermütige Sieger arbeitet an seinem Untergang. (Jean de la Fontaine) - www.doppelpunkt-praxis.de

Am 16. Dezember 1991 sank im Roten Meer Nahe der Bucht von Safaga ein Fährschiff. Es war eine stürmische Nacht. Die Salem Express hatte viele Passagiere an Bord, welche von einer Pilgerfahrt aus Mekka zurückkamen. Nur rund 200 Überlebende wurden nach dem Unglück gezählt. Mindestens 700 Passagiere ertranken nach offiziellen Angaben. Vermutlich waren aber noch hunderte weitere Pilger an Bord, die gar nicht registriert waren.

Wir durften im September einen Tauchgang zum Wrack der Salem Express unternehmen. Es liegt in einer Tiefe von 20 bis 30 Metern auf seiner Steuerbordseite. Das Wrack wurde offiziell zum Grab erklärt, weil nicht sichergestellt werden konnte, dass alle Leichen geborgen worden waren. Darum ist das Hineintauchen verboten. Aber auch das Drumherum-Tauchen ist spannend. Das Wasser ist klar und man hat eine Sicht von ca. 30 Metern. Allerdings verblassen die Farben in dieser Tiefe, wie auf dem Foto gut zu erkennen ist. Das gibt diesem nicht geborgenen Schiff einen leicht unheimlichen Charakter. Interessant ist auch, wie nach einem knappen Vierteljahrhundert die Natur sich ihre Welt zurück erobert. Das Wrack wurde für viele Fische und Korallen eine neue Heimat.

Wir haben uns gefragt, wie es zu dieser Tragödie kommen konnte. Die moderne Technik mit GPS, Tiefenmesser und Radar sollte Unglücke dieser Art eigentlich ausschließen! Der Kapitän soll nach Berichten Ansässiger sogar aus Safaga gestammt haben. Er kannte diese Bucht wie seine Westentasche und war sich sicher, dass er die offizielle Schifffahrtsroute verlassen konnte, um eine Abkürzung zu nehmen. Es wurde für viele eine Abkürzung ihres Lebens. Er rammte ein vorgelagertes Riff. Wasser drang rasend schnell in den Innenraum der Fähre. Das Schiff sank binnen 10 Minuten. Der Kapitän war sich seiner Sache sehr sicher gewesen. Zu sicher! Er hat sich und sein Können überschätzt. Ein Übermut, der zum Untergang führte.

Ob der Kapitän im Sinne des Zitates ein Sieger oder gar ein übermütiger Sieger gewesen ist, lässt sich schwer beurteilen. Fakt ist, dass seine Fehleinschätzung zum Untergang geführt hat. Wo verläuft die Grenze zwischen mutig sein und übermütig sein? Zwischen etwas wagen („Wer nicht wagt, der nicht gewinnt!“) und etwas aufs Spiel setzen? Und macht es einen Unterschied, ob ich ein Risiko eingehe, das nur mich selbst betrifft, oder auch andere Menschen? Wo beginnt und wo endet meine Verantwortung?

Mut wird als erstrebenswerte Tugend dargestellt. Übermut (gr. Hybris; lat. superbia) dagegen als Laster. In der milden Form als Leichtfertigkeit, in gesteigerter als Tollkühnheit.

Ich hoffe, dass es mir zukünftig immer gelingen wird, mutig zu sein, wo es die Situation erfordert (z.B. Zivilcourage zu zeigen), aber vor Übermut bewahrt zu bleiben, insbesondere wenn andere Menschen durch meine Entscheidung maßgeblich betroffen oder gar gefährdet sind.

© Matthias Dauenhauer – Praxis Doppelpunkt