Die innere Haltung

Engel können fliegen, weil sie sich selbst nicht so schwer nehmen. (aus Schottland) - www.doppelpunkt-praxis.de

Engel können fliegen, weil sie sich selbst nicht so schwer nehmen. (aus Schottland)

Über diesen Satz bin ich dieser Tage gestolpert, und er hat mich angesprochen. Ich begann zu überlegen, was mich genau daran angesprochen hat. Zum einen war es die Tatsache, dass zunächst einmal davon ausgegangen wird, dass es Engel gibt. Laut einer Umfrage von Forsa glauben 66% der Deutschen an Engel, während nur 64% an einen Gott glauben. Dann ist für den Sprecher des Satzes ganz offenbar klar, dass Engel fliegen können. Wer an Engel glaubt, wird vermutlich auch das bejahen. Irgendwie gehört das ja ganz klassisch ins Bild der Engel. Wozu sonst hätte ein Engel denn Flügel? Und schließlich werden Engel in aller Regel mit Flügeln abgebildet. Woran sonst würde man denn erkennen, dass dies ein Engel sein soll?
Aber nun die Erklärung, WARUM Engel fliegen können. Die gefällt mir, denn sie ist so gar nicht physikalisch. Es wird hier den Engeln unterstellt, dass ihr Flugvermögen etwas mit ihrer inneren Haltung zu tun hat. Das hat mir imponiert. Es hat mir vor allem deswegen imponiert, weil es die einzige Erklärung ist, die hier gegeben wird. Es scheint also, dass die innere Haltung die ganze Kunst daran ist. Toll!

Meine eigene innere Haltung kann ich beeinflussen. Hier ist eine zentrale Schaltstelle meiner Macht über mein Leben. Ich habe es in der Hand, was ich wie schwer oder leicht nehmen möchte.

Autor: Ulrike Dauenhauer – Praxis Doppelpunkt

(K)Eine nette Geste …

20160827-stinkwanze-stinkefinger-matthias-naturtheater

Ende August besuchten wir eine sehenswerte Vorstellung im Naturtheater Reutlingen. In der Pause entdeckte ich diverse Insekten, die an Wänden saßen, auf dem Boden krochen und auch umher flogen. Darunter waren auch sogenannte Stinkwanzen. Und vielleicht ist es kein Zufall, dass eine sich meinen Mittelfinger als Lande- bzw. Startbahn ausgesucht hat 😉

Der in die Höhe gestreckte Mittelfinger gilt in vielen Ländern als der Stinkefinger und ist eine beleidigende Geste. Ähnliches gilt für den Zeigefinger an der Stirn: „Einen Vogel zeigen“ ist in Deutschland sogar strafbar.
Die Zahl der Gesten, die mit Fingern oder Händen eine sprachliche Aussage unterstützen, ergänzen oder sogar ersetzen, ist enorm (eine ansehnliche Sammlung kann bei Wikipedia eingesehen werden). Darunter ist seit Cäsars Zeiten der Daumen, der nach oben oder unten gestreckt wird. Auch die Geste für einen Schwur, das Victory-Zeichen oder das Händefalten scheint unmissverständlich.

Aber es gilt aufzupassen: Die Formung eines „o“ mittels Daumen und Zeigefinger gilt in Deutschland, der Schweiz und in Österreich als Zeichen für „ok“. Auch für Taucher, die unter Wasser auf nonverbale Kommunikation angewiesen sind, steht diese Geste für „alles gut“. Es gibt jedoch auch Kulturen, in denen genau dieses Zeichen eine massive Beleidigung darstellt, denn in diesen Ländern wird das „o“ als Schließmuskel interpretiert: Arschloch. So wird aus einer gut gemeinten, netten Geste eine Beleidigung.

Gesten unterstützen die verbale Sprache und sind manchmal vielsagender als gesprochene Worte. Denn die Gestik wird normalerweise nicht kontrolliert, sondern entspringt dem Unbewussten, durchläuft im Gegensatz zur Sprache keinen Filter und wird unzensiert gezeigt. Gesten sind ehrlicher als Worte!

In manchen Kulturen – eher südlich der Alpen – wird wesentlich mehr gestikuliert als im „kühlen“ Norden. Darum sagt man auch scherzhaft: „Was ist ein Italiener, der beidseitig armamputiert ist? … Er ist sprachbehindert!“

Im erweiterten Sinne gibt es auch Gesten, die nicht mit Fingern oder Händen gezeigt werden. Es sind Handlungen, die man als nette Geste bezeichnet. Bei einer Einladung einen Wein, oder Knabbereien oder Blümchen mitbringen. Eine Kondolenzkarte bei einem Trauerfall schreiben. Mut zusprechen, wenn jemand eine Prüfung vor sich hat oder eine kleine Aufmerksamkeit überreichen, wenn er sie bestanden hat. Diese und zahlreiche andere Gelegenheiten bieten sich für eine nette Geste an.

Ich persönlich will in Zukunft wieder mehr darauf achten, solche netten Gesten zu zeigen.
© Matthias Dauenhauer

Traumwelt?

Wenn wir träumen, betreten wir eine Welt, die ganz und gar uns gehört. - www.doppelpunkt-praxis.de

Ich teile gern, egal ob mein Essen oder meine Freude. Aber ich finde es auch schön, dass es Dinge gibt, die ganz und gar mir gehören. Träume gehören dazu. Die sind meine eigene Welt, in der ich schalten und walten darf, wie ich will. Diese Möglichkeit macht es mir bisweilen auch leichter, mich an all die Regeln zu halten, die der Alltag hier so mit sich bringt. Und so brauche ich diese zwei Welten: die Wach-Welt, in der ich mich einordnen darf und kann, Halt finde in Regeln und mich auch daran reiben und ärgern kann und die Traum-Welt, in der ich bestimmen kann und Möglichkeiten habe, die weit über das hinaus gehen, was die Wachwelt mir zu ermöglichen scheint. Denn da wird es für mich spannend: Wenn ich mehr träume von dem, was ich im Leben will und wie ich leben will, desto mehr verändert sich die Wachwelt. Aus Träume können Möglichkeiten werden. Und dazu muss ich gar nicht unbedingt hart dafür arbeiten, sondern eben „nur“ träumen.
Ich finde nicht, dass Träume unsinnig sind, vor allem Tagträume und Wunschträume nicht. In ihnen liegen meine Möglichkeiten verborgen, die ich in der Wachwelt noch nicht entdeckt habe oder die ich mir noch nicht zutraue. So kann der Traum der Weg sein, Dinge im Alltag wirklich werden zu lassen. Dazu gibt es viele Wege und sicher auch jede Menge Bücher. Und es gibt auch schöne Angebote hier im Netz. Zum Beispiel Träume dich glücklich .

Wer also mehr über Träume und ihre Möglichkeiten erfahren mag, kann da mal schauen.

Autor: Ulrike Dauenhauer – Praxis Doppelpunkt

Stille

Die größte Offenbarung ist die Stille. (Laotse) - www.doppelpunkt-praxis.de

Vor Jahren entdeckte ich erstmals eine Stille, die mir bis dahin fremd war. Ich war in Polen, ganz im Osten, inmitten der Natur, die dort sehr ursprünglich und wenig bevölkert ist. Dort saß ich an einem großen See (dem Wigry-See Wigry Nationalpark) und schaute auf die Wasserfläche. Hinter mir war Wald, sodass ich nur zwei Perspektiven hatte: Auf die Wasserfläche vor mir oder an den Bäumen in meinem Rücken senkrecht nach oben.
Auf dem See war nichts, keine Menschen. Plötzlich hörte ich ein mir bis dahin fremdes Geräusch, das ich nicht zuordnen konnte und für das ich zunächst keine Erklärung hatte. Es war erst sehr leise, wurde dann etwas lauter (was immer noch recht leise war). Schließlich nahm ich einen Schwarm Kormorane wahr, der auf den See zuflog. Ich hatte das Schlagen der Flügel gehört.

Diese Erfahrung hat mich zutiefst beeindruckt und berührt. Nirgends hatte ich je eine solche Stille erlebt, die erlaubte, den Flügelschlag mehrerer Vögel zu hören und dies noch ehe ich diese sehen konnte. Ich hatte überhaupt noch nie das Geräusch der Flügel von Vögeln in der Luft gehört. Das war also Stille, davor und danach gleich wieder.
Dieser Moment ermöglichte ganz neue Erfahrungen.

Es gibt sicher viele Wege, Stille zu finden. Auch mir sind inzwischen verschiedene Möglichkeiten bekannt. In unserer eher lauten Welt sind diese Momente der Stille kostbar. Ich muss gar nicht weit reisen, um sie erfahren zu können. Und es ist mitnichten, so, dass in der Stille nichts wäre. Ganz im Gegenteil, sie ist reich an Möglichkeiten und ein großer Erfahrungsraum, den es zu entdecken lohnt.

Welche Erfahrungen mit Stille hast du?

Autor: Ulrike Dauenhauer – Praxis Doppelpunkt

Freude bleibt

Jede Freude ist ein Gewinn und bleibt es, auch wenn er noch so klein ist. - www.doppelpunkt-praxis.de

Als ich Kind war, hing bei uns im Flur ein Spruch: „Leuchtende Tage, nicht weinen, dass sie vergangen, sondern lächeln, dass sie gewesen.“ An diesem Spruch bin ich täglich mehrfach vorbei gelaufen. Das hat mich wohl geprägt.

In meinem Alltag erlebe ich häufig folgende (oder ähnliche) Situationen: Jemand erzählt mir von etwas Schlimmem oder Ärgerlichem oder Verletzendem, was er oder sie erlebt hat. Dieser Mensch ist dann in entsprechend gedrückter Stimmung. Das ist verständlich. Im weiteren Gesprächsverlauf wird dann aber oft deutlich, dass durch dieses negative Erlebnis viele positive Erlebnisse davor – womöglich noch mit derselben Person – nur noch negativ bewertet werden oder völlig nichtig sind. Das finde ich extrem schade.

Ich frage mich manchmal, warum es vielen Menschen so schwer fällt, das Gute in ihrem Leben das Gute sein zu lassen.

Menschen, die es genau umgekehrt machen, wirken auf mich – und andere – viel zufriedener, glücklicher, friedvoller. Diese Menschen gibt es ja auch, die Schweres erlebt haben und darüber den Blick auf das Gute behalten haben. Solche Menschen begeistern mich, sind mir Vorbild. Bei diesen Menschen gucke ich, wie das gehen könnte, leichter durchs Leben zu kommen, auch wenn es mal schlecht läuft.

Und die Richtung, in die wir schauen, beeinflusst nachhaltig die Richtung, in die wir uns bewegen. Wenn ich also auf die Freude schaue, werde ich mich auch mehr und mehr in Richtung Freude bewegen. Das ist doch eine schöne Perspektive.

Wenn es also mal wieder nicht so rund läuft, lohnt es sich, den Blick auf bereits erlebte Freuden zu richten, Dankbarkeit dafür zu üben, Randbedingungen dieser Freude deutlich in den Blick zu bekommen und die eigene – innere und äußere – Motorik entsprechend in Gang zu setzen.

Autor: Ulrike Dauenhauer – Praxis Doppelpunkt

Günstige Gelegenheiten

Der Ausgangspunkt für die großartigsten Unternehmungen liegt oft in kaum wahrnehmbaren Gelegenheiten. (Demosthenes) - www.doppelpunkt-praxis.de

Der Ausgangspunkt für die großartigsten Unternehmungen liegt oft in kaum wahrnehmbaren Gelegenheiten. (Demosthenes) – http://www.doppelpunkt-praxis.de

Eigentlich weiß ich ja, was eine Gelegenheit ist. Aber ich finde es immer wieder spannend, auch bei mir bekannten Wörtern und Dingen noch einmal zu schauen, was ich dazu finde. Im Wiktionary steht unter Gelegenheit: „Eine Gelegenheit ist eine günstige Aussicht, die im Gegensatz zu einem Risiko steht.“

Oder bei Wikipedia: „Eine Gelegenheit bezeichnet die Möglichkeit, ein bestimmtes Ereignis wahrzunehmen, das unter anderen Umständen oder zu anderen Zeitpunkten mit Nachteilen verbunden oder gar nicht mehr wahrnehmbar ist. Typisch bei diesem Begriff ist der seltene Charakter, den das in Kontext beschriebene Ereignis mit sich bringt.
Eine geläufige Redewendung lautet „Die Gelegenheit ist günstig“, was den einmaligen oder seltenen Augenblick des angepeilten Ereignisses weiter hervorhebt und somit häufig in der Werbebranche Verwendung findet.“

Für mich bietet das Leben permanent Gelegenheiten. Insofern sind die für mich gar nicht so selten. Es sind nur ständig verschiedene Themen für die sich mir Gelegenheiten bieten. Meist versuche ich, diese Momente dann zu nutzen, was einer inneren Grundhaltung entspricht. Das bedeutet nicht, dass ich da jeweils schaue, was ich für mich daraus machen kann. Vielmehr geht es mir darum, was ich Gutes aus der Situation für alle im Moment beteiligten machen kann. Und dann bin ich immer wieder überrascht, welche Effekte das nach sich zieht.
Ich bin mir sicher, dass wir jeden Tag hunderte, wenn nicht tausende kleine und allerkleinste Momente geschenkt bekommen, in denen wir etwas Gutes tun können. Weiter bin ich davon überzeugt, dass sich das positiv auswirkt, in meinem Leben und darüber hinaus.

Wichtig ist dabei für mich, diese Grundhaltung zu finden und aufrecht zu erhalten, dabei absichtslos zu sein – in dem Sinne, dass ich einen ganz konkreten Effekt für mich erzielen möchte.

Autor: Ulrike Dauenhauer – Praxis Doppelpunkt

Sprache der Musik

Musik ist die Sprache, die wir alle verstehen. - www.doppelpunkt-praxis.de

Wäre das nicht Wunder-voll, wenn alle Menschen eine Sprache sprächen? Wie schwer ist es oft schon, sich mit dem eigenen Partner zu verstehen. Selbst da gibt es ja Momente, in denen man denkt, der andere sei aus einer anderen Kultur.

Und nun kommen Menschen zu uns, die andere Sprachen sprechen, andere Musik hören und die uns damit bisweilen sehr fremd erscheinen. Ich wünsche uns allen, dass wir – vielleicht über die Sprache der Musik – im Neuen Jahr mehr Gemeinsames als Trennendes finden, sowohl mit denen, die uns besonders nah sind als auch mit denen, die wir noch nicht kennen.

Autor: Ulrike Dauenhauer

Seltsamer Umgang mit Geld und Gaben (2)

Glück ist das Einzige, was wir anderen geben können, ohne es selbst zu haben. (Carmen Sylva) - www.doppelpunktt-praxis.de

Vor einigen Tagen postete ich ein Bild mit dem Spruch: „Glück ist das Einzige, was wir anderen geben können, ohne es selbst zu haben.“ (Carmen Sylva)

Letztlich war ich dann bei Münzen im Brunnen gelandet. Eigentlich war mein Ausgangsgedanke aber ein ganz anderer. Im Internet hatte ich etwas beobachtet, was mich erstaunte und erschütterte. Da hatte eine Frau bei einer Kosmetikfirma angefragt, ob sie ein paar Proben für ihre Arbeit unter Flüchtlingen bekommen könnte. Diese Firma schickte der Frau ein Paket mit verschiedenen Produkten. Und weil diese Frau nun wesentlich mehr bekommen hatte, als sie für die Flüchtlinge erbeten hatte, machte sie ein schönes Foto und wollte die Freude mit anderen Menschen eines sozialen Netzwerkes teilen. Soweit so gut. Ich freute mich über das Engagement dieser Frau für andere, offenbar bedürftigere Menschen. Ich freute mich ebenso über die Großzügigkeit der angefragten Firma, denn die konnte ja nicht davon ausgehen, dass damit irgendwer Publicity machen würde. Und ich freute mich, dass die Frau ihre Freude mit anderen teilte.

Und dann las ich die Antworten anderer Internetnutzer, die mich sehr verstörten. Da regten sich Menschen furchtbar darüber auf, dass die Flüchtlinge nun so gute Produkte bekommen. Ich war sprachlos. Was hat jemand weniger, wenn jemand anderes etwas bekommt? Was fehlt einem Menschen, wenn einem anderen etwas gegeben wird? Warum klagen Menschen, die hier in Deutschland leben und meist auch ganz ordentlich leben – zumindest so gut, dass sie einen Internetanschluss und ein entsprechendes technisches Gerät haben – wenn Menschen, denen es ganz offensichtlich deutlich schlechter geht, etwas geschenkt bekommen? Warum dieser Neid?

Dann erlebe ich, dass sich manche Menschen, die wirklich nicht unter materiellem Reichtum leiden, sich mit viel Engagement für Menschen einsetzen, denen es nur wenig schlechter geht als ihnen selbst. Das beschämt mich.

Es gibt in unserer Gesellschaft offensichtlich eine große Spanne, wie Menschen auf Leid anderer reagieren. Manche Reaktionen ärgern mich, andere beschämen mich, wieder andere ermutigen oder freuen mich und einige inspirieren mich. Letztlich geht es für mich aber immer darum, dass ich als Mensch meinem Mitmenschen gegenüber verpflichtet bin zu Humanität! Und das nicht nur an Weihnachten, sondern das ganze Jahr über. Ich muss und kann die Welt und all die Flüchtlinge nicht retten. Aber ich kann in dem mir möglichen Rahmen etwas tun, um Menschen, denen es schlechter geht als mir, es etwas leichter zu machen. Gerade das Internet bietet da inzwischen viele Möglichkeiten an, wo man Kontaktadressen finden kann, wo sich Initiativen gegründet haben, wo ich eine einfache Aktion sehe und bei mir nachmachen kann. Ich möchte dazu ermutigen, vom eigenen Reichtum – und sei er noch so klein – etwas abzugeben. Geben macht nicht arm, es macht glücklich!

Autor: Ulrike Dauenhauer – Praxis Doppelpunkt

Seltsamer Umgang mit Geld und Gaben (1)

Glück ist das Einzige, was wir anderen geben können, ohne es selbst zu haben. (Carmen Sylva) - www.doppelpunktt-praxis.de

Als ich den Spruch sah, wusste ich, dass ich ihn für den Blog verwenden wollte. Das Bild dazu war auch schnell gefunden. Dann fragte ich mich, warum eigentlich Menschen Geld in Brunnen werfen und begann, zu recherchieren. Dabei stieß ich auf einen sehr interessanten Artikel, den ich hier dankenswerter Weise veröffentlichen darf. Der folgende Artikel stammt also nicht von mir, sondern von Gudrun Schury (Schuressig). In den nächsten Tagen folgen meine Ansichten und Gedanken zum Spruch.

Jetzt sind sie wieder unterwegs: Die Geldwerfer

Von GUDRUN SCHURY

Urlaubszeit ist Geldwurfzeit. Ob Sie in den Ferien nach Australien fliegen oder mit dem Wohnmobil an den Bodensee fahren – Sie werden es überall sehen: Kleingeld. Es blinkt auf dem Grund von Brunnenschalen und Vogeltränken, leuchtet aus Höhlen und Gruben, verziert Lotusblumenbecken und Regenwassertröge. Keine interessante Vertiefung auf der ganzen Welt, in der nicht ein paar Cents, Rupien, Kopeken, Pennies oder Yen lägen. Selbst wenn Sie sich ein paar ruhige Tage zu Hause gönnen, werden Sie es bemerken: Auch in Ihrer Heimatstadt liegt Geld im Wasser.
Aber wer deponiert eigentlich hier seine Münzen und warum? Geben die Touristen auf diese Weise Trinkgeld, oder sind sie einfach zu faul, das Wechselgeld im Portmonee zu verstauen, und schnippen es lässig ins nächste Bassin?
Die Antwort findet man nicht beim Tourismusfachwirt und nicht beim Konsumpsychologen. Auf eine erste Spur bringt immerhin die Volkskunde: Schon seit altrömischer Zeit war es Brauch, dem klaren Wasser Münzen zu opfern, die so genannten stipes, eine Sitte, die sich in ganz Europa ausbreiten sollte. Im englischen Bath fischte man aus einer Thermalquelle, die einst der örtlichen Göttin Sulis Minerva geweiht war, nicht weniger als 12 595 römische Münzen. Das Geldopfer weihte die Quelle, dankte für ihre Heilwirkung, wurde zum Wohl des Herrschers dargebracht oder sollte an den heiligen Wasserort zurückkehren lassen. Das empfahl sich vor allem für Soldaten, die in den Krieg zogen.

Rom sehen und Geld da lassen
Von der Wiederkehr wusste man auch in Rom ein Lied zu singen. In der größten Brunnenanlage der Stadt, der Fontana di Trevi, hauste eine geheimnisvolle Nymphe. So erzählte man sich jedenfalls von Alters her. Wer aus dem Trevi-Brunnen trank, den verzauberte die Nymphe, so dass er nicht mehr los kam von Rom. Die ewige Stadt hielt ihn auf ewig in ihrem Bann. Er war verdammt zur Wiederkehr.
Bald jedoch vergaß man die einnehmende Nymphe. Es blieb nur im Gedächtnis, „dass ein Abschiedsschluck aus der Fontana di Trevi die Wiederkehr des Reisenden sichere, welche Hindernisse und Unwägbarkeiten ihn auch zu bedrängen scheinen.“ So schreibt der amerikanische Dichter Nathaniel Hawthorne, der 1857 Italien bereiste.
Aber auch das vergaß man wieder. Zwanzig Jahre, nachdem Nathaniel Hawthorne in Rom gewesen war, konnte keiner mehr aus dem Trevi-Brunnen trinken, dessen Wasser doch immer so sauber gewesen war. Denn plötzlich war der Grund des Bassins voller Metall. Irgendjemand hatte damit angefangen, Münzen in den Brunnen zu werfen und sich dabei eine Wiederkehr nach Rom zu wünschen. Die zeitgenössischen Italien-Führer strickten gleich fleißig an der Legende mit und schrieben, jeder Reisende müsse an dem berühmten Ort unbedingt ein Geldstück opfern, wenn er Rom jemals wieder sehen wolle. So sammelten sich nach und nach Tausende von Münzen im Wasser an. Offensichtlich hatten sich in der barocken Trevi-Brunnenschale zwei Bräuche vermischt: das römische Geldopfer an die Quelle einerseits, der Wiederkehrtrunk andererseits. Bis heute verlässt kein echter Rom-Urlauber die Stadt, ohne der Fontana ein bisschen Trinkgeld da gelassen zu haben.
Im Kino konnte man sich abschauen, wie man dabei vorgehen musste: „Drei Münzen im Brunnen“ hieß der amerikanische Film von 1954, in dem drei Münzen feierlich mit der rechten Hand rückwärts über die linke Schulter in den Trevi-Brunnen geworfen wurden. Der gleichnamige Filmsong mit dem Text von Sammy Cahn, der Musik von Jule Styne und der Stimme von Frank Sinatra erhielt vor über 50 Jahren sogar einen Oscar. Freilich verwässert der Schlager endgültig das Geldwurfmotiv: Durch „drei Münzen im Brunnen … geht ein Wunsch in Erfüllung“, heißt es in der deutschen Fassung.

Willkommene Einnahmequelle
Was sind schon drei Münzen gegen eine Handvoll Glück? Es ist ja auch gar nicht so abwegig, im Urlaub ein bisschen freigebiger zu sein als sonst. Sparen und vernünftig sein kann man wieder daheim. In fernen Ländern leistet man sich gern mal ein überteuertes Abendessen oder schaut viel zu tief ins Glas mit dem exotischen Schnaps. Und wenn etwas erst kultverdächtig ist! Soll man etwa tatenlos zusehen, wie die Mitglieder der chinesischen Reisegruppe ihre Yuan in den Springbrunnen regnen lassen? Irgendwo waren doch noch ein paar Cents … Kult ist eben Kult!
Selten wird ein touristischer Brauch von den Städten und Gemeinden so gern gesehen wie die Münzwurfsitte. Da es keine Nymphen mehr gibt, die auf dem Brunnengeld hocken könnten, gehört es den Grundeignern. Die Ostberliner Zeitung „Der Morgen“ berichtete bereits am 5.1.1971, dass bei der Herbstreinigung des Springbrunnens im Friedrichsfelder Tierpark 15.195,60 Mark herausgeholt wurden.
Im Ursprungsort des Brauches, dem Trevi-Brunnen, landen inzwischen jedes Jahr ungefähr 100 000 Euro. Zum Streit über den Eigentümer dieser Münzen kam es 1998, als eine 50-jährige Römerin Kleingeld im Wert von umgerechnet 18 Euro für sich herausgefischt hatte und dafür in erster Instanz zu 1 500 Euro Strafe verurteilt worden war. Im Oktober 2003 wurde sie schließlich frei gesprochen mit der Begründung, bei dem Geld handele es sich um herrenloses Gut. „Das Geld im Brunnen gehört niemanden, also gehört es allen“, folgerten schlau die italienischen Zeitungen.
Allerdings behält die Stadt Rom sich seitdem vor, den Schatz bewachen zu lassen, der für wohltätige Zwecke verwendet wird. Straßenkehrer in Gummistiefeln steigen früh morgens in den Brunnen und fischen die Münzen heraus. An anderen touristischen Anziehungspunkten liest man heute manchmal Hinweisschilder, die in den Brunnenschalen gefundenen Beträge würden für die Restaurierung umliegender Gebäude verwendet. Hätte man eine offizielle Sammelbüchse aufgestellt, sähe es bestimmt nicht so gut aus mit den Spenden zur Renovierung.
Durch das schöne Zusammentreffen von spendierfreudigem Urlauber und dankbarem Bewohner konnte sich die Geldwurfsitte von Rom aus überall hin verbreiten. Tourismus ist eben gut für den, der ihn treibt, und für den, der ihn bei sich betreiben lässt. Kein Schlossbesitzer und keine Stadtverwaltung wird Schilder aufstellen mit dem Text „Es ist verboten, Geld in den Brunnen zu werfen!“ Man schüttelt verwundert den Kopf und freut sich über die unverhofften Einnahmen.
Wo aber viele verschiedene Leute in vielen verschiedenen Ländern solch eine Sitte pflegen, ist die Abwandlung des Brauchs geradezu vorbestimmt. Warum nicht, wenn kein Bassin zur Hand ist, die übrigen Cents in einen Swimmingpool schnippen? Oder in einen still gelegten Schacht oder in eine Felsschlucht? Den genauen Grund, warum der Münzwurf in die Tiefe angesagt war, hatte man ja ohnehin längst vergessen. Rückkehr, Wunscherfüllung oder Glück – irgendwas Gutes sollte es jedenfalls bedeuten.
Schon am 30. September 1965 beklagte die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“, dass überall Geld herumliege, im Burggraben vor dem kaiserlichen Palast in Tokio genauso wie in Buenos Aires, in den Kanälen am Tadsch Mahal genauso wie im Osloer Studententeich. Die Reisenden seien wohl vom „Bazillus Trevianus“ befallen und versuchten von Kopenhagen bis Kairo, ihre restlichen Münzen fremder Währung gegen Glück zu tauschen, „wo immer sie es rauschen und plätschern hören.“ Inzwischen kann man sich also auf eine fast schon uralte Tradition berufen, wenn man irgendwo das Vermögen eines Goldfischteichs vermehrt.

Ein internationaler Brauch
Und so findet man es heute auf der ganzen Welt: Geld in Krokodilbecken von Tierparks und am Grund ausgetrockneter Burgzisternen, Geld unter Barockfontänen und in Schlossgräben, Geld am Boden von Schwefelquellen und Seerosenteichen, Geld in antiken Thermen und in Tropfsteinhöhlen, Geld in Löschwasserbehältern und Lichtschächten. Es liegt Geld in der Mikwe des jüdischen Museums im fränkischen Fürth, Geld zwischen den Ausgrabungen von Pompeji, Geld im Restaurantbrunnen des New Yorker Metropolitan Museums, Geld hinter den Fenstergittern des Aussichtsturms Coit Tower in San Francisco. Eigentlich liegt es überall dort, wo der Urlauber gern Urlaub macht und sich eine Grube auftut – vor allem, wenn dort schon weitere Münzen liegen.
Von dem frommen Wunsch „Rom sehen und wiederkehren“ blieb nur der mit ein bisschen Glückshoffnung verknüpfte Wunsch, Zahlungsmittel zu versenken. Aber das ist ja sehr typisch für den Volksglauben. Wo man früher den ersten Finger der Hand quetschte, um stellvertretend einen Dämon an seinen Übeltaten zu hindern, drückt man heute den Daumen, um gutes Gelingen zu wünschen. Wo man früher Lire in den Trevi-Brunnen warf, um nach Rom wiederzukehren, wirft man heute Cents in jedes schnöde Loch. – Wenn’s hilft!

Zu viel oder zu wenig?

Wenn man zuviel nachdenkt, erschafft man Probleme, die es eigentlich nicht gibt. (www.doppelpunkt-praxis.de)

Gestern waren wir in Heidelberg auf einem Workshop mit Philip Zimbardo (http://www.zimbardo.com/) , der durch seine psychologischen Forschungen sehr berühmt geworden ist. Inzwischen ist er 82 Jahre alt, wirkt aber keineswegs so. Er berichtete über seine Forschungen zum Zeitparadox. Er machte anhand seiner weltweiten Forschungen deutlich, dass die persönliche Wahrnehmung der Zeit – also ob ich meine Vergangenheit positiv oder negativ in Erinnerung habe, ob ich die Gegenwart eher lustvoll oder fatalistisch wahrnehme und wie ich in die Zukunft schaue – wesentliche Auswirkungen auf sehr viele Bereiche unseres Lebens hat. Dazu werde ich nochmal gesondert schreiben.

Bestätigen kann ich aus vielen Gesprächen, dass es Menschen gibt, die sich viele Gedanken über allerlei Dinge machen, so viele Gedanken, dass sie am Ende noch mehr Probleme haben, darüber sehr unglücklich oder gar verzweifelt sind und sich kaum oder nicht mehr in der Lage fühlen, etwas zu entscheiden und dann auch zu tun. Das Nachdenken kann also tatsächlich dazu führen, dass Probleme erst entstehen.

In jungen Jahren sind wir alle sehr gegenwartsorientiert. Wir tun, wozu wir gerade Lust haben. Die meisten von uns sind dann so erzogen worden, dass es wichtig ist, in die Zukunft zu schauen und die Konsequenzen unseres Handelns gedanklich vorweg zu nehmen. Das ist ja auch nicht völlig falsch. Es bewährt sich nicht, vollkommen in dieser Gegenwartsorientierung zu bleiben und gar nicht darüber nachzudenken, das folgt. Aber über alles und jeden ständig nachzudenken, stellt das andere Extrem eines Kontinuums dar und ist ebenso wenig hilfreich.

Es geht um das gute Maß an Spontaneität und Planung, um glücklich und erfolgreich zu sein.
Gelegentlich also mal weniger nachdenken bzw. das Nachdenken über etwas begrenzen, kann sehr hilfreich sein.

Autor: Ulrike Dauenhauer – Praxis Doppelpunkt