Scheitern als Teil des Erfolges:

Scheitern ist nicht das Gegenteil von Erfolg. Es ist ein Teil davon. - www.doppelpunkt-praxis.de

In kaum einem anderen Land der Welt werden Misserfolge so geächtet wie in Deutschland. Dazu gibt es interessante Untersuchungen verschiedener Universitäten auf dieser Welt. Das finde ich schon traurig. Aber jeder hat ja die Möglichkeit, etwas anders zu machen. Wie wir mit Misserfolgen umgehen, hat sehr viel damit zu tun, wie wir sie bewerten. Bei entsprechender Bertrachtung können wir sogar an Niederlagen wachsen.

Menschen, die Niederlagen leichter wegstecken, grübeln weniger darüber nach. Sie können unterscheiden zwischen: „Da habe ich was falsch gemacht“ und „ich bin ein Versager“. Das ist ganz wichtig.

Auch wer in einer Niederlage einen Sinn sehen kann, wer in der Lage ist, etwas daraus zu lernen und sie als Ansporn zu sehen, es beim nächsten Versuch anders – und deswegen vielleicht besser – zu machen, kann mit dieser Erfahrung besser umgehen. So können Misserfolge sogar zur Grundlage größerer Erfolge werden.

Wer sich weniger über seine Eigenschaften („Ich bin ein Versager“) sondern mehr über sein Handeln („das hätte ich anders machen können“) definiert, wird mit Niederlagen leichter fertig. Menschen, die es dann noch schaffen, mit Humor über sich selbst zu lachen, sind bestens gerüstet, mit Niederlagen gut fertig zu werden.

Viele der aufgeführten Eigenschaften kann man lernen. Coaching kann auf diesem Weg eine sehr effektive Hilfe sein.

Und zum Abschluss noch ein Zitat von Samuel Becket: „Ever tried. Ever failed. No matter. Try again. Fail again. Fail better.“ (Immer versucht. Immer gescheitert. Einerlei. Wieder versuchen. Wieder scheitern. Besser scheitern.)

Autor: Ulrike Dauenhauer

Lesenswert ist auch folgender Artikel aus der Zeit, der allerdings 5 Seiten umfasst:
Die Kunst des Scheiterns

Freundschaft und Unzertrennlichkeit

Wahre Freundschaft bedeutet nicht Unzertrennlichkeit, sondern getrennt sein zu können, ohne dass sich was ändert. - www.doppelpunkt-praxis.de

Freundschaft ist eigentlich ein Wort, das jeder selbstverständlich benutzt. Ich schaue auch bei solchen Worten gern mal nach, was sich dazu findet an Definitionen oder sonstigen interessanten Hintergründen. In Wikipedia fand ich diesen Hinweis: Meyers Großes Konversations-Lexikon von 1907 bezeichnet Freundschaft als „das auf gegenseitiger Wertschätzung beruhende und von gegenseitigem Vertrauen getragene freigewählte gesellige Verhältnis zwischen Gleichstehenden.“

Gut, das war also 1907. Aber hat sich da Wesentliches geändert? Für mich ist Freundschaft nach wie vor wesentlich mit dem Begriff des Vertrauens verknüpft. Vertrauen meint dabei den Glauben an die Redlichkeit einer Person.

Dennoch erlebe ich bei anderen immer wieder große Probleme zum Beispiel im Umgang mit Kurznachrichtendiensten. Ich möchte kurz schildern, was ich genau meine: Zwei Menschen, die sich lieben, sind nicht beieinander. Das kann tagsüber oder abends sein. Einer der beiden schreibt eine Nachricht auf Whatsapp. Dort gibt es die Möglichkeit zu sehen, ob der andere online ist. Danach wird dann auch geschaut. Der Schreiber schaut dann wiederholt nach, ob die Nachricht gelesen wurde und wann der Adressat zuletzt online war. Und dann geht es im Kopf los: Warum antwortet er/sie nicht? Der/Die ist doch die ganze Zeit online. Mit wem schreibt er/sie? Und daraus entstehen dann die wildesten Geschichten von Eifersucht. Warum ist das so? Seit diese Medien existieren, scheinen sie Menschen zu verändern.

Wie ging das eigentlich in Zeiten vor Whatsapp und ähnlichen Medien? Auch da hatten Menschen Beziehungen und Zeiten, in denen sie sich nicht sahen. Da war ich gefordert, meinem Partner zu vertrauen, dass er Dinge tut, die in unsere gemeinsame Übereinkunft passen, die seine und meine und unsere gemeinsamen Beziehungsgrenzen wahren. Und das hat auch meistens funktioniert. Ich glaube nicht, dass damals mehr fremdgegangen wurde als heute. Warum haben heute viele Menschen so ein starkes Bedürfnis danach, immer, jederzeit, sofort zu wissen, was der/die andere tut oder wo er/sie ist? Warum entsteht so schnell Angst, dass man selbst dem/der anderen nicht mehr so wichtig ist, wenn nicht sofort eine Reaktion auf eine entsprechende Meldung auf dem Handy erfolgt? Führt die Möglichkeit dieser Geräte und Apps zu Verpflichtungen? Dann wäre es mit der Freiheit vorbei. Das fände ich schade und auch gar nicht hilfreich für die einzelne Beziehung und für jeden einzelnen Menschen. Es muss doch möglich sein, den Abend getrennt zu verbringen und GLEICHZEITIG darauf zu vertrauen, dass er/sie auch nur Dinge tut, die für uns beide in Ordnung sind. Meines Erachtens braucht eine Beziehung so viel Vertrauen, wenn sie langfristig tragfähig sein soll. Vertrauen ist aber immer etwas, wo ich selbst beginnen muss. Ich kann es nicht einfordern, ich kann es nur geben.

Es kostet bisweilen etwas Mut, Vertrauen zu haben. Aber nur wer Vertrauen schenkt, kann auch Vertrauen erfahren. Und diese Erfahrung ist so schön, dass sie jeder machen sollte. Und wenn es sein muss, kann man solche Nachrichtendienste auch mal für geraume Zeit still legen, um zu lernen, dass es auch ohne ständige Kontrolle geht. Manchmal ist weniger einfach mehr.

Autor: Ulrike Dauenhauer – Praxis Doppelpunkt

Der schwere Schritt

Es ist immer einfacher das letzte Wort zu haben, als den ersten Schritt zu tun. (Ernst Reinhardt) - www.doppelpunkt-praxis.de

Vor vielen Jahren habe ich mich mal bei einer Freundin beklagt. Ich war damals mit meiner Ehe in einer Krise und war – wie wohl viele andere auch – von so manchem genervt. Besonders ärgerte mich, dass ich – nach meinem Erleben – in Konflikten immer den ersten Schritt tun musste, damit wieder etwas voran ging. Genau das klagte ich meiner Freundin. Doch statt Mitleid und Entlastung – was ich in diesem Fall erhofft hatte – erfuhr ich eine völlig andere Reaktion. Sie sagte zu mir: „Ulrike, wenn Du diejenige bist, die das kann, dann ist das Dein Job und dann hör auf zu meckern und mach ihn.“ Erstmal war ich platt. Das hatte ich so gar nicht erwartet. Aber beim weiteren Nachdenken über ihre Reaktion wurde mir manches deutlich. Menschen sind nun einmal sehr verschieden. Auch ein Ehepartner oder ein guter Freund ist so ganz anders „gestrickt“ als wir selbst. Das macht es uns im Miteinander bisweilen schwer. Gleichwohl ist diese Verschiedenartigkeit natürlich auch ein schöner Aspekt an Beziehungen. Als ich aber weiter nachdachte, ging mir auf, welch unterschiedliche Typen wir beide waren, er und ich. Er eher ruhig, ich eher temperamentvoll. Er eher zurückhaltend, ich eher drauf los und so weiter. Dabei musste ich feststellen, dass der erste Schritt für ihn wahrscheinlich wirklich sehr schwer war. Manchen Menschen mag das sogar grundsätzlich zu schwer sein, auch wenn sie nicht von dem Schlag sind, der immer das letzte Wort haben muss.

Im nächsten Zug machte ich mir klar, dass ich nicht möchte, dass man von mir Dinge verlangt, die ich nicht kann oder mich unter Druck setzt, schneller zu sein in einer Angelegenheit, die mir Mühe macht und nicht leicht von der Hand geht.

Warum also fange ich an, mich quasi zu weigern etwas zu tun, was doch im Grunde mir und meiner Natur entspricht, mir leicht fällt?
Ich glaube, dass dies daher kommt, dass wir irgendwann in einer Beziehung Gefahr laufen, das Rechnen anzufangen. Wie oft hat der oder habe ich dies oder das getan? Warum beginne ich, Dinge stärker zu gewichten, die ich getan habe, als die, die mein Partner getan hat?

Ich muss gestehen, dass ich auf diese warum-Frage keine Antwort habe. Aber allein die Erkenntnis, dass ich – wir alle – gefährdet sind, in diese Denkmuster zu geraten, kann helfen, sie eher zu entlarven und ihnen zu begegnen.

Für eine gelingende Partnerschaft sind viele Dinge wichtig, große und kleine, welche mit viel Zeitaufwand und solche mit weniger Zeitaufwand, kostspieligere und kostengünstige. In großen Zeiträumen gedacht, sollte sich das ausgleichen.

Auch wenn Du nicht derjenige bist, der gern das letzte Wort hat, mach den ersten Schritt.

Autor: Ulrike Dauenhauer – Praxis Doppelpunkt

Krankheiten unserer Zeit

Die Scheu vor Verantwortung ist eine Krankheit unserer Zeit . (Fürst Bismarck ) - www.doppelpunkt-praxis.de

Kürzlich bot sich uns bei einer Reise auf dem stillen Örtchen eines Schnellrestaurants obiges Bild. Glücklicherweise benötigte ich keine der beiden Toiletten, denn für mein „kleines“ Problem gab es Urinale.

Ich habe den besch… Zustand der Toiletten fotografiert und der Filialleitung gezeigt. Sie war bestürzt und verärgert, denn es käme in letzter Zeit öfter vor, dass mutwillig die Toiletten in einem unappetitlichen, schmuddeligen Zustand zurückgelassen werden.

Man fragt sich unwillkürlich: warum machen Menschen so etwas? Niemand würde seine private Toilette daheim so hinterlassen, denn der nächste Nutzer ist sein Familienangehöriger oder gar er selbst. Das Foto offenbart auch nicht ein versehentliches Malheur, sondern mutwillig inszeniertes Chaos. Warum tut man das? Soll der Ruf des Restaurants beschädigt werden, des Filialleiters, der Putzfrau?

Ist das Beobachtete ein Symptom unserer gesellschaftlichen Entwicklung? Frustration und Aggression nehmen zu. Sachbeschädigungen und Körperverletzungen nehmen zu. Wie steht es um das Sozialverhalten und die Verantwortung für das Eigentum anderer oder das öffentliche Eigentum? Leere Bierdosen in Parkanlagen, ausgespuckte Kaugummis in Fußgängerzonen, Altglas und Batterien im gelben Sack! Pöbeleien, Grabschen und sexuelle Nötigung am Arbeitsplatz oder sogar auf öffentlichen Plätzen! Die Liste ließe sich fortsetzen.

Wie gehen wir miteinander um? Das zeigt sich auch im Fernsehen bei TV-Debatten, wo man glaubt, durch Lautstärke das eigene Argument schlagkräftiger zu machen, wo man sich nicht ausreden lässt oder sogar beschimpft.

Wie gehen wir miteinander um? Das zeigt sich auch im Familienleben, wo der Tonfall und die Fäkalsprache immer mehr Einzug hält.
Wie gehen wir miteinander um? Das zeigt sich auch in den Kirchen, wo verbale Gewalt und Intoleranz zunimmt.

Jeder trägt Verantwortung für sein Tun, sein Handeln, sein Unterlassen. In gewisser Hinsicht sogar für seine Gefühle und Gedanken (Johann Friedrich Herbart). Scheuen wir Verantwortung? Ist dies eine Krankheit unserer Zeit? Jedenfalls Bismarck schon am 1. März 1870 vor dem Norddeutschen Reichstag behauptet: „Die Scheu vor der Verantwortung ist eine Krankheit unserer Zeit!“ Die Zeiten ändern sich … oder auch nicht!

PS: Als wir eine halbe Stunde später das Restaurant verließen und ich mir nach dem Essen die Hände waschen wollte, schaute ich auch noch mal um die Ecke: es sah noch exakt genau so aus…

© Matthias Dauenhauer

Zeit haben

Keine Zeit ist keine Tatsache, es ist DEINE Entscheidung. - www.doppelpunkt-praxis.de

Da lese ich diesen Satz, dass es also MEINE Entscheidung ist, ob ich Zeit habe. Das finde ich im ersten Moment ziemlich ärgerlich. Es macht mich wütend. Mein Tag ist voll. Ein Termin folgt auf den nächsten. Viele Verpflichtungen fordern mich. Ich sehe zu, dass ich das alles irgendwie hinbekomme. Und dann sagt da jemand, es sei meine Entscheidung, ob ich Zeit habe. Das ist doch eine Frechheit. Ich bin so oft fremdbestimmt in meiner Zeit. Wie gern hätte ich Zeit für Dinge, die mir Freude machen, für Menschen, die mir wichtig sind. Aber ich habe diese Zeit eben nicht. So erleben das vermutlich viele Menschen. Aber ist es wirklich so?

Ich habe mich mal entschieden, den Beruf zu ergreifen, den ich aktuell ausübe. Da war mir klar, dass der viel Zeit von mir fordern wird. Und ich habe mich dafür entschieden. Es folgte die Selbständigkeit, die natürlich einen hohen zeitlichen Einsatz fordert. Auch dafür habe ich mich entschieden. In meiner Lebensplanung kamen Kinder vor. Sie wurden auch Realität, sind die größten Geschenke in meinem Leben. Zwar war meine Vorstellung davon, wieviel Zeit Kinder brauchen etwas anders als die beiden es mir dann zeigten, aber grundsätzlich war klar, dass Kinder viel Zeit brauchen würden. Und ich habe mich dafür entschieden. Ich habe eine alte Mutter. Diese Beziehung pflege ich so, wie es für mich richtig ist, was Zeit braucht. Und auch hier habe ich mich dafür entschieden, es so zu tun und daher diese Zeit zu haben. Und so könnte ich noch eine ganze Weile weiter machen. Wo ist also die Zeit, über die ich nicht selbst entscheide? Es gibt Krankheitszeiten, da läuft das anders mit der Zeit. Seltsamerweise haben wir da plötzlich Zeit für Dinge, für die wir vorher immer meinten, keine Zeit zu haben.

Ich gebe zu, dass ich es bisweilen schwierig finde, die Zeit da zu haben, wo ich es für eine bestimmte Sache ideal fände. Weiter gebe ich zu, dass es manchmal bequem ist zu sagen „ich habe keine Zeit, ich muss arbeiten (oder was auch immer an dieser Stelle kommen kann)“. Das ist für mich, als könnte ich für einen Moment ein wenig Verantwortung abgeben. Die Formulierung legt ja nahe, dass ich schon wollte, aber leider eben nicht kann, weil andere Dinge wichtiger sind. Das entlastet mich. Wenn ich aber ehrlich mit mir bin, muss ich mir eingestehen, dass es mehr Mühe kostet, dann zu schauen, wo und durch welche organisatorischen Maßnahmen ich die Zeit finde, ich für etwas haben möchte. Und wenn mir etwas oder jemand wichtig ist, lässt es sich nahezu immer realisieren, dass da die Zeit ist.

Wenn also jemand mich fragt, ob ich für ihn Zeit habe, kann die Antwort nicht sein, dass ich sie nicht habe, sondern …

Autor: Ulrike Dauenhauer

Reinigung für die Seele?

Ruhe ist für die Seele der Anfang der Reinigung. (Basilius der Große) - www.doppelpunkt-praxis.de

Das klingt doch irgendwie seltsam, wenn da von Reinigung für die Seele die Rede ist. Ok, ich putze regelmäßig meine Zähne und wasche mich, aber meine Seele reinigen? Wie soll denn das gehen? Vor Jahren hätte mich das noch befremdet, inzwischen nicht mehr.
Ich glaube, wir können einiges dafür tun, wie es unserer Seele geht. Und damit meine ich im Augenblick nicht Prophylaxe von Depressionen oder dergleichen (auch wenn das dabei sicher mit ein Thema ist).

Wir leben in einer Informationsgesellschaft, heißt es. Das klingt technisch und sauber in meinen Ohren. Aber leider klingt es nur so. Mein Erleben ist ein gänzlich anderes. Überall ist Information, überall werde ich mit Nachrichten, Klängen, Bildern, Filmen konfrontiert. Das kann auch Müll sein, was die Seele da so abbekommt. Das fällt vielleicht manchem (gar nicht mehr) auf. Die Nachrichten gehören selbstverständlich zum Tag, man will ja informiert sein. Und den Action-Thriller muss man auch gesehen haben, weil der gerade aktuell ist. Im Internet gibt es auch so viele spannende Dinge. Wo soll ich da aufhören?

Seltsam finde ich, dass mir manche Menschen dann erzählen, dass es sie belaste, wenn andere ihnen ihre Sorgen erzählen und vom Stress im Geschäft oder in der Familie/Partnerschaft berichten. Aber die Nachrichten werden angeschaut. Und die vielen – nicht nur hilfreichen und wichtigen – Seiten im Netz werden auch angeguckt und gelesen, und wenn es da Videos hat, schaut man die auch an. Warum ist das so?
Was ist eigentlich, wenn mal nichts ist? Was ist, wenn es ruhig wird? In mir womöglich?

Ich kenne viele Menschen, denen Stille Angst macht, die sich nicht trauen, diese Stille in sich einmal zuzulassen. Das finde ich schade.
Seit ich meditiere, erlebe ich Stille ganz neu. Anders, wohltuend, befreiend, befriedend. Eben als Reinigung der Seele. Sicher ist meditieren nicht der einzige Weg, um zur Stille zu finden. Aber er ist ein möglicher neben anderen. Wichtig finde ich nur, einmal einen Weg der Stille auszuprobieren. Es ist leichter als viele denken. Und es ist so bereichernd.

Autor: Ulrike Dauenhauer

Sprache der Musik

Musik ist die Sprache, die wir alle verstehen. - www.doppelpunkt-praxis.de

Wäre das nicht Wunder-voll, wenn alle Menschen eine Sprache sprächen? Wie schwer ist es oft schon, sich mit dem eigenen Partner zu verstehen. Selbst da gibt es ja Momente, in denen man denkt, der andere sei aus einer anderen Kultur.

Und nun kommen Menschen zu uns, die andere Sprachen sprechen, andere Musik hören und die uns damit bisweilen sehr fremd erscheinen. Ich wünsche uns allen, dass wir – vielleicht über die Sprache der Musik – im Neuen Jahr mehr Gemeinsames als Trennendes finden, sowohl mit denen, die uns besonders nah sind als auch mit denen, die wir noch nicht kennen.

Autor: Ulrike Dauenhauer

Augen

Die Augen sind die Fenster der Seele. (Hildegard von Bingen) - www. doppelpunkt-praxis.de

Augen in der Großstadt

Wenn du zur Arbeit gehst
am frühen Morgen,
wenn du am Bahnhof stehst
mit deinen Sorgen:
da zeigt die Stadt
dir asphaltglatt
im Menschentrichter
Millionen Gesichter:
Zwei fremde Augen, ein kurzer Blick,
die Braue, Pupillen, die Lider –
Was war das? vielleicht dein Lebensglück…
vorbei, verweht, nie wieder.

Du gehst dein Leben lang
auf tausend Straßen;
du siehst auf deinem Gang, die
dich vergaßen.
Ein Auge winkt,
die Seele klingt;
du hast’s gefunden,
nur für Sekunden…
Zwei fremde Augen, ein kurzer Blick,
die Braue, Pupillen, die Lider –
Was war das? Kein Mensch dreht die Zeit zurück…
Vorbei, verweht, nie wieder.

Du musst auf deinem Gang
durch Städte wandern;
siehst einen Pulsschlag lang
den fremden Andern.
Es kann ein Feind sein,
es kann ein Freund sein,
es kann im Kampfe dein
Genosse sein.
Er sieht hinüber
und zieht vorüber …
Zwei fremde Augen, ein kurzer Blick,
die Braue, Pupillen, die Lider –
Was war das?
Von der großen Menschheit ein Stück!
Vorbei, verweht, nie wieder.
(Kurt Tucholsky)

Auf das WIE kommt es an

Bevor man seine Bedenken äußert, sollte man seine Äußerungen bedenken. (Gerhard Uhlenbruck) - www.doppelpunkt-praxis.de

Wir leben in einem Land, in dem man – noch ? – frei seine Meinung äußern darf. Das ist ein hohes Gut. Gleichzeitig verleitet diese Möglichkeit manche Menschen dazu, dies als Aufforderung zu verstehen, sich möglichst oft, an vielen Orten, in vielen Kontexten mit ihrer Kritik zu Wort melden zu sollen. So ist das aber gar nicht gemeint. Kritik ist keine Pflicht, der wir ständig und jedem gegenüber nachkommen müssen.

Es gibt Menschen, die im persönlichen Kontakt oder auch auf öffentlichen Plattformen ihre Bedenken mitteilen. Leider mache ich dabei immer wieder die Feststellung, dass nicht jeder, der da was äußert, vorher gründlich darüber nachgedacht hat, wie er das äußert und was seine Worte auslösen können. Manch einer würde sich selbst das nicht gern von anderen sagen lassen, was er/sie seinem Gegenüber da so entgegen hält oder vorwirft. Ein gesprochenes oder geschriebenes Wort kann viel auslösen, kann schwer verletzen, ist mächtig, wird von vielen so leicht nicht vergessen. Mit Worten gesetzte Wunden wirken oft lang. Daher ist es sicher von Nutzen, vorher genau zu überlegen, was man sagt oder schreibt.

In meiner Kindheit hieß das schlicht: „Was du nicht willst, dass man dir tu, das füg auch keinem andern zu.“

Die Bibel formuliert es sehr schön positiv: „Und wie ihr wollt, dass euch die Leute behandeln sollen, so behandelt auch ihr sie gleicherweise!“ (Lukas 6,31)

Ich finde das hoch aktuell.

Autor: Ulrike Dauenhauer – Praxis Doppelpunkt

Entfernung ist eine Illusion

Liebe ist, wenn man trotz der Ferne die Nähe spürt. - www.doppelpunkt-praxis.de

So warb vor mehr als 15 Jahren Nokia für seine Mobiltelefone. Mir hat dieser Spruch damals sehr gefallen. Das Bild zeigte zwei sich anschauende Menschen, also zwei Profile. Auf dem Bild waren die sich natürlich nahe. Wie hätte man das auch sonst bildlich darstellen wollen. Aber es sollte zeigen, dass Liebe Entfernungen überwinden kann – in diesem Werbefall natürlich mit der Technologie dieses Herstellers.

Nähe und Distanz sind wichtige Größen in einer Beziehung. Jeder Mensch hat da andere Bedürfnisse. Und diese unterschiedlichen Bedürfnisse zweier Menschen, die ein Paar sind, in Deckung zu bringen, kann manchmal schwierig sein. Wieviel Entfernung kann ich vertragen, während ich noch die Liebe spüre? Hier könnte die Antwort problematisch werden, wenn ich dabei die Vorstellung habe, dass ich die Liebe des anderen zu mir spüren soll. Ich bin zwar sicher, dass ich die Liebe des anderen auch über große Entfernungen spüren kann, aber wie wäre es, wenn ich mal mit meiner eigenen Liebe für den anderen anfange? Muss ich den anderen sehen oder hören, um meine Liebe zu ihr/zu ihm noch zu spüren?

Ich erlebe in den letzten Jahren zunehmend, dass Menschen an der Liebe des anderen zu zweifeln beginnen, wenn sie nicht ausreichend Nähe über das Smartphone spüren. Da schreiben sie dem geliebten Menschen eine Nachricht per Whatsapp. Dann wird ständig kontrolliert, wann der andere online war. Und wenn dann gesehen wird, dass der andere online war, aber dem Sender noch nicht geantwortet hat, beginnt für diese Menschen schon der Stress im Kopf: Was tut dieser Mensch? Mit wem hat er da über Whatsapp Kontakt? Warum schreibt er/sie da, mir aber nicht? Bin ich noch wichtig? Liebt er/sie mich noch? Das Smartphone wird zum Dauerkontrollinstrument und macht damit die Beziehung eher schwieriger als entspannter.

Hier – finde ich – wird das gesunde Maß an Nähe und Distanz verlassen, und meistens leiden beide darunter. Es wird eine Form von Nähe erwartet, die für keinen gesund ist, die keinen Freiraum lässt, die somit den anderen einengt, statt im den nötigen Lebensraum zu lassen. Und zu dem nötigen Lebensraum gehört immer auch ein Stück Lebenszeit, die nur mir gehört.

Oder wenn der andere was ohne mich unternehmen will oder zu anderer Zeit ins Bett gehen will. Auch hier beginnen bereits Krisen und fangen manche Menschen an, an der Liebe zu zweifeln.

Liebe meint aber nicht Selbstaufgabe für ein gemeinsames Wir. Liebe meint Dynamik zwischen zwei Ich.

Autor: Ulrike Dauenhauer – Praxis Doppelpunkt