Wer kennt das nicht? Da ist eine Beziehung schwierig geworden, Missverständnisse sind an der Tagesordnung, man ist verunsichert. Und aus Angst, es wieder falsch zu machen, wieder etwas Falsches zu sagen, schweigt man lieber. Man glaubt, wenn man nichts sagt, kann man schon nichts Falsches sagen. Das klingt ja irgendwie plausibel. Ist es aber nicht.
Wenn ich nichts mehr sage, ist das auch eine Form von Aggression, behaupte ich. Es kommt zu einem Kommunikationsembargo. Wikipedia erklärt den Begriff Embargo so: „Ein Embargo (von spanisch embargo ‚Beschlagnahme‘, ‚Pfändung‘) ist in der internationalen Wirtschaft und Politik die Unterbindung des Exports und Imports von Waren oder Rohstoffen in ein bzw. aus einem bestimmten Land.“
Wir verhindern also in diesem Moment aktiv etwas, was in der Beziehung wichtig ist: Kommunikation. Ohne Kommunikation passiert nämlich nicht NICHTS. Es kommt zur Vertiefung des Grabens zwischen den Seiten und jeder Neuanfang, jeder weitere Versuch wird weiter erschwert. Die Fronten verhärten sich.
Ebenso ist es mit Handlungen. Wenn ich die Befürchtung habe, meine Aktion könnte falsch sein, habe ich verschiedene Möglichkeiten, damit umzugehen. Gar nichts zu tun, ist leider nicht der Beste und auch nicht der Sicherste Weg. Nehmen wir ein Beispiel: Im Bus wird jemand grundlos angepöbelt. Dieser Mensch wehrt sich und hat damit keinen Erfolg. Andere Passagiere schauen weg und schweigen. Das kann verschiedene Gründe haben – auch solche die verstehbar erscheinen. Aber im Schweigen haben sie dem Pöbler zugestimmt. Eine Enthaltung ist in diesem Fall eine Zustimmung zum Fehlverhalten des Pöblers.
Ich kann nicht nicht-handeln. Im Unterlassen nehme ich die Folgen meines Unterlassens in Kauf, was ein noch schwerwiegenderer Fehler sein kann, als wenn ich aktiv gehandelt hätte.
Es ist oft nicht leicht, in verfahrenen Situationen einen Weg zu finden, wieder miteinander ins Gespräch zu kommen. Wenn es sich dabei um einen Menschen handelt, der uns wichtig ist und am Herzen liegt, sollten wir uns ein Herz fassen und etwas sagen oder tun. Wir könnten damit beginnen, dem anderen unsere Angst, es falsch zu machen, mitzuteilen. Wir könnten weiterhin an den Anfang unserer Aktion Worte stellen, die deutlich machen, welche Intention wir haben, welches Ziel wir verfolgen, dass wir wieder zueinander finden wollen, dass wir Frieden und harmonisches Miteinander wollen und mitnichten vorhaben, unser Gegenüber zu verletzen. Nach solchen „Vorworten“ wird der andere vielleicht schon etwas anders zuhören, auch wenn unsere Worte dann holprig kommen und keineswegs perfekt sind. Und wir sollten uns klar machen, dass unser Gegenüber in den meisten Fällen in einer ganz ähnlichen Situation steckt und ähnliche Ängste hat, die ihn genauso hindern, den ersten Schritt zu tun. Würde es ihm/ihr leichter fallen, säßen wir ja nicht gemeinsam so in der Falle.
Der Weg aus dieser Falle gelingt nur, wenn eine Seite den Mut hat, einen Schritt zu tun. Dabei kann es mir helfen, wenn ich zunächst versuche, zu sehen, dass es dem anderen ähnlich gehen könnte. Dann lohnt es sich, nach Dingen zu schauen, für die es sich in dieser Beziehung zu kämpfen lohnt. Was ist schön und wertvoll zwischen uns? Ich kann das formulieren und dem anderen sagen, dass ich diese Dinge schätze und erhalten bzw. wiederbeleben möchte. Und ich kann von mir sprechen und meiner Unsicherheit. Das zeigt dem anderen, dass ich in freundlicher Absicht komme. Damit entschärfe ich die Situation und trage dazu bei, dass der andere mir zuhört und meine Absicht erkennt.
Autor: Ulrike Dauenhauer – Praxis Doppelpunkt