Jeder Augenblick ein Geschenk

Vergangenheit ist Geschichte, Zukunft ein Geheimnis und jeder Augenblick ein Geschenk. (Ina Deter) - www.doppelpunkt-praxis.de

Ist das nicht eigentlich ein banaler Spruch? Könnte man meinen. Aber für mich hat er etwas Besonderes; und zwar am Schluss. Das letzte Wort ist für mich das Wichtigste an diesem Satz. Wie kann ein Augenblick ein Geschenk sein? Es kommt doch ein Augenblick nach dem nächsten, ohne dass ich etwas dazu tue oder meistens auch ohne, dass etwas Besonderes geschieht. Warum also sollte jeder Augenblick ein Geschenk sein?

Für mich liegt in diesem Wort sehr viel. Natürlich gibt es Geschenke, die ich quasi erwarte. Viele Menschen erwarten, dass sie an Weihnachten oder zum Geburtstag irgendwas geschenkt bekommen. Ganz besonders sind für mich aber die Geschenke, mit denen ich nicht gerechnet habe, entweder zu diesem Zeitpunkt oder in der Art des Geschenkes. Sowas schafft für mich immer ganz besondere Überraschungen. Und wenn mir in diesem Satz gesagt wird, dass jeder Augenblick ein Geschenk ist, lenkt er meinen Blick weg von der Selbstverständlichkeit, mit der sich ein Augenblick ereignet hin zur Einmaligkeit des Moments und noch darüber hinaus. Ein Geschenk will gewürdigt sein. Da hat sich schließlich jemand Gedanken gemacht, wie er uns eine Freude machen könnte. Bei mir löst das Dankbarkeit aus. Und dann Neugier, was genau hat sich der Schenkende gedacht, als er sich für dieses Geschenk für mich entschied und was kann ich mit dem Geschenk machen. Wann und wie will ich es wie gebrauchen oder genießen? Insofern hat ein Geschenk für mich immer auch einen hohen Aufforderungscharakter. Mit dem Geschenk beginnt für mich die Aufgabe, es zu gestalten, ihm seinen eigentlichen Sinn zu verleihen. Darin liegt natürlich auch Verantwortung, die ich übernehme, wenn ich das Geschenk annehme.

Und was heißt das jetzt für den Augenblick? Ich habe Macht, den Augenblick – JETZT – zu gestalten, mich an ihm zu freuen, ihn zu nutzen und damit zu verwandeln. Ich kann ihn dankbar annehmen und eine innere Haltung zu ihm finden, die mich reich macht, weil ich ja so viele Geschenke bekomme.

Autor: Ulrike Dauenhauer

DOPPEL:PUNKT – Der kleine Unterschied

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Im Gegensatz zu einem Punkt, welcher das Ende eines Satzes markiert (auch umgangssprachlich: „Jetzt mach aber ´mal einen Punkt!“) will der Doppelpunkt zeigen: Es geht noch weiter! Es folgt noch eine Information oder sogar eine Aufzählung. Der Doppelpunkt stellt somit eine Ankündigung dar, eine Andeutung, dass es weiter geht, dass es noch nicht vorbei ist. Er beendet zwar eine Aussage und macht zugleich deutlich, dass etwas Neues beginnt.
Dies war übrigens einer der Gründe, warum wir unserer psychotherapeutischen Praxis einen Namen mit Bedeutungshintergrund gegeben haben und nicht einfach nach unserem Nachnamen. Wir wollten schon im Namen deutlich machen wovon wir überzeugt sind: dass eine Krise nicht das Ende bedeutet oder der Weltuntergang ist. Es gibt ein Danach! Irgendwie geht es weiter. Das gilt es herauszuarbeiten. Dabei wollen wir unterstützen, helfen, erleichtern. Der Doppelpunkt macht den Unterschied zwischen Resignation und Hoffnung.
Wenn man den Doppelpunkt aber nicht wie üblich als zwei Punkte über-, sondern nebeneinander schreibt, hat dies wieder eine andere Bedeutung. Diese zwei Punkte verändern im deutschen die Vokale. Aus A wird Ä und aus U wird Ü und aus O wird Ö.
Bei einem bestimmten Verb führen diese zwei kleinen Pünktchen zu einem enormen Unterschied im zwischenmenschlichen Umgang. Es handelt sich um die Aufforderung: „Fordern“. Der Doppelpunkt auf dem o macht aus „fordern“ ein „fördern“. Und dass sich das für den Empfänger der Botschaft sehr viel anders anhört und anfühlt, dürfte leicht nachvollziehbar sein.
Gerade jetzt in den letzten Wochen des Jahres fallen wieder viele in den Herbst- und Winter-Blues. Die Depression in der dunklen Jahreszeit macht so manchem zu schaffen. Gerne macht man diesen Leidenden sanften Druck und fordert: „Geh doch mal spazieren! Draußen scheint die Sonne! Das tut dir gut!“ Was der Laie nicht weiß: der depressiv Erkrankte möchte – und kann nicht! Statt ihn zu fordern, wäre es hilfreicher, ihn zu fördern: „Draußen scheint die Sonne! Ich mache jetzt einen kurzen Spaziergang. Wenn Du möchtest, kann Du mich begleiten!“ Hier wird dem Depressiven die Wahl gelassen. Ich respektiere seinen Wunsch oder akzeptiere seine Grenzen. Auch muss ich damit leben, wenn er meine Einladung ablehnt. Aber er fühlt sich gefördert statt gefordert. Was fühlt sich besser an?
Diese und andere Gedanken zum Umgang mit depressiven Menschen findet sich in meinem Buch: „Und wo bleibe ich? Leben mit depressiven Menschen. Ein Leitfaden für Angehörige“. Es wurde in den 90er Jahren verfasst, als die Aufklärung über die Volkskrankheit Depression noch in den Kinderschuhen steckte. Inzwischen ist das Buch in der vierten Auflage für 12,40 € im Handel und es gibt auch eine französische Übersetzung.
© Matthias Dauenhauer

Vergiss Kränkungen, doch vergiss Freundlichkeiten nie. (Konfuzius)

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Es ist ja bekanntlich alles eine Frage der Perspektive. Auch Kränkungen können sich verändern, wenn wir die Perspektive darauf verändern. Das fällt nicht immer ganz leicht.

Ich habe in meinem Umfeld jemanden, den ich oft als mich kränkend erlebt hatte. Inzwischen überlege ich, ob nicht manche körperliche Krankheit in meinem Leben auch damit zusammen hing, dass ich mich habe kränken lassen. Lange habe ich verschiedene Wege gesucht, damit umzugehen. Mein Bestreben dabei war zunächst, die Beziehung zu diesem Menschen zu verbessern. Dieser Versuch lehrte mich zu erkennen, dass ich diese Beziehung so nicht ändern konnte, weil ich darin immer die innere Erwartung hatte, dass sich das Gegenüber ändern würde, wenn es mich verstünde. Mein Bemühen enthielt also die Annahme, der andere müsse sich (auch) ändern, damit etwas besser würde.

Nachdem mir klar geworden war, dass es immer scheitern würde, wenn ich meinen Anspruch auf Veränderung meines Gegenübers aufrechterhalten würde, änderte ich meine Strategie. Mein Fokus fiel darauf, meine Sicht auf mein Gegenüber zu verändern. Dies war doch auch ein Mensch mit Ängsten und Grenzen, jemand, der sicher Frieden wollte (in seinem Herzen und vermutlich auch mit mir), jemand, der nicht als böswilliges Wesen auf diese Welt gekommen war. Diese Person war sicher oft auch verletzt – vermutlich auch von mir – und sicher oft hilflos mir gegenüber – wie ich ja auch. Dieses Menschenkind war bestimmt oft auch unsicher und es hatte seine eigene Geschichte – mit Verletzungen und Verunsicherungen in seinem Leben – und handelte vermutlich oft so, wie es eben glaubte, handeln zu können (und auch in diesem Punkt gleichen wir uns).

Ich begann, die Kränkungen weniger als gegen mich persönlich zu sehen, als vielmehr als Ausdruck der Geschichte meines Gegenübers und seiner Grenzen und Hilflosigkeiten. Mir half diese Perspektive, mich weniger oft gekränkt zu erleben. Gleichzeitig konnte ich zunehmend gelassener auf die entsprechende Person reagieren. Und je mehr ich den Menschen mir gegenüber sah, desto mehr vergaß ich die Kränkungen, die stattgefunden hatten. Das war sehr heilsam für mich.

Damit ist die eine Seite der Empfehlung von Konfuzius sozusagen abgearbeitet. Die andere Seite ist jedoch nicht weniger wichtig. Und hierbei muss es nicht um Freundlichkeiten der Person gehen, von der wir uns als gekränkt erlebten. Es können ganz andere, völlig unabhängige Freundlichkeiten sein, die uns widerfahren, die es zu bewahren gilt (siehe Foto). Hilfreich ist, sich die kleinen schönen Momente, die Freundlichkeiten, die hellen Momente aufzuschreiben, um das Gedächtnis darin zu trainieren, diese überhaupt wahrzunehmen und ihnen in der Folge eine größere Wichtigkeit zu verleihen. Wir können lernen, unseren Fokus im Alltag zu verschieben von „ich werde ständig gekränkt“ zu „mir passieren wirklich schöne Dinge“. Diese schönen Dinge müssen keine großen Aktionen sein. Das kann die Geste sein, dass jemand die Fahrstuhltür auf hält, damit wir noch mitfahren können oder die Freundlichkeit, mit der wir beim Bäcker bedient worden sind. Es können Worte der Freundschaft oder Wertschätzung sein, die jemand für uns hat oder die Freude, die jemand zeigt, weil wir ihm etwas Schönes sagen.

Je mehr ich den Blick auf die Freundlichkeiten zu richten lerne, desto mehr solcher schönen Momente werde ich erleben.

Autor: Ulrike Dauenhauer

Traumwelt?

Wenn wir träumen, betreten wir eine Welt, die ganz und gar uns gehört. - www.doppelpunkt-praxis.de

Ich teile gern, egal ob mein Essen oder meine Freude. Aber ich finde es auch schön, dass es Dinge gibt, die ganz und gar mir gehören. Träume gehören dazu. Die sind meine eigene Welt, in der ich schalten und walten darf, wie ich will. Diese Möglichkeit macht es mir bisweilen auch leichter, mich an all die Regeln zu halten, die der Alltag hier so mit sich bringt. Und so brauche ich diese zwei Welten: die Wach-Welt, in der ich mich einordnen darf und kann, Halt finde in Regeln und mich auch daran reiben und ärgern kann und die Traum-Welt, in der ich bestimmen kann und Möglichkeiten habe, die weit über das hinaus gehen, was die Wachwelt mir zu ermöglichen scheint. Denn da wird es für mich spannend: Wenn ich mehr träume von dem, was ich im Leben will und wie ich leben will, desto mehr verändert sich die Wachwelt. Aus Träume können Möglichkeiten werden. Und dazu muss ich gar nicht unbedingt hart dafür arbeiten, sondern eben „nur“ träumen.
Ich finde nicht, dass Träume unsinnig sind, vor allem Tagträume und Wunschträume nicht. In ihnen liegen meine Möglichkeiten verborgen, die ich in der Wachwelt noch nicht entdeckt habe oder die ich mir noch nicht zutraue. So kann der Traum der Weg sein, Dinge im Alltag wirklich werden zu lassen. Dazu gibt es viele Wege und sicher auch jede Menge Bücher. Und es gibt auch schöne Angebote hier im Netz. Zum Beispiel Träume dich glücklich .

Wer also mehr über Träume und ihre Möglichkeiten erfahren mag, kann da mal schauen.

Autor: Ulrike Dauenhauer – Praxis Doppelpunkt

Kapier ´s endlich!

Wahrheit - Magie oder Trick

Nicht nur Eltern kennen die Schwierigkeit, ihren Kindern eine „Wahrheit“ nahe zu bringen. Angehörige von Alkoholikern können ein Lied davon singen. Psychisch Kranke wollen die Wahrheit oft auch nicht wahrhaben. Erstmal geht der Rollladen herunter, es wird geblockt. Was man mit den Augen der Anderen gezeigt bekommt, passt nicht ins eigene (Erklärungs-)Muster und hat mit der persönlichen Wirklichkeit wenig Übereinstimmung.

Und so kommt es immer wieder vor, dass Ratschläge, die man erhalten hat, zunächst einmal abgelehnt werden, aber dann nach geraumer Zeit als eigene Idee präsentiert werden. Nun wäre man als Ratgebender gut beraten, nicht darauf zu bestehen, dass es die eigene Idee war, die man ja schon vor Tagen angetragen hatte. Klüger wäre es, die nun als Eigenproduktion des Gegenübers geäußerten Ideen aufzugreifen und gut zu heißen.

Es ist immer besser, ein Mensch hat eine Wahrheit von sich aus erkannt (oder glaubt dies zumindest), als dass man mit Gewalt versucht, ihm die Wahrheit aufzupressen.

José Ortega y Gasset (1883-1955) hat schön formuliert: „Es ist zu wünschen, dass jeder, der uns die Wahrheit zeigen will, sie nicht in Worten ausdrückt, sondern uns die Möglichkeit gibt, sie selbst zu erkennen.“

Das erfordert allerdings immer wieder viel Geduld. Die wünsche ich mir nicht nur für meine Patienten, sondern für alle Menschen, mit denen ich im Alltag zu tun habe.

© Matthias Dauenhauer – Praxis Doppelpunkt

Wann ändere ich mich und für wen?

Wenn ich mich ändere, dann tue ich das für mich. - www.doppelpunkt-praxis.de

Ich finde es interessant, welche Motivationen Menschen mitbringen, die sich verändern wollen. Manche möchten für den Partner und/oder die Kinder mit dem Rauchen aufhören oder Gewicht reduzieren. Einige wollen an ihrem Auftreten arbeiten, um andere zu beeindrucken. Und so ließe sich die Liste fortsetzen. Änderung des Selbst für andere. Ich halte das für keine gute Idee. Wenn ich mich ändere, dann sollte das für mich selbst sein, damit ich mit mir glücklicher bin. Die anderen Dinge ergeben sich dann als Konsequenz daraus.

Jeder Mensch möchte so gemocht und geliebt werden, wie er/sie ist. Wenn ich so geliebt werden will, wie ich bin, woher nehme ich dann das Recht, einem anderen Veränderung abzuverlangen?

Traurig an dieser Fremdmotivation ist für mich, dass es so viele Menschen zu geben scheint, die meinen, nicht liebenswert zu sein, wenn sie so sind wie sie sind. Diese Menschen glauben, sie müssten erst liebenswert und sympathisch werden, damit jemand mit ihnen Kontakt haben möchte. Diese Menschen, die ich hier erlebe, sind aber – in meinen Augen – durch und durch liebenswerte Menschen. Es sind verunsicherte Menschen, denen lange eingeredet wurde, sie seien dick, doof, faul, hässlich, inkompetent, schwach oder anders unattraktiv. Und irgendwann haben diese Menschen begonnen, das zu glauben. Sie sind, wenn sie zu uns kommen, manchmal felsenfest davon überzeugt, wirklich so widerlich zu sein, wie man ihnen lange versucht hat, weiß zu machen. Und alle diese Menschen waren sicher einmal ganz goldige Kinder und einem unbekümmerten Herzen, mit Freude am Leben, mit Lachen und Fröhlichkeit. Was mag in solchen Leben alles geschehen sein, dass ein Mensch so schlecht von sich zu denken beginnt?

Hier setzt der Änderungswunsch richtig an, wenn so ein Mensch sagt: „Ich habe auch ein Recht auf ein glückliches Leben und dafür will ich jetzt etwas tun. Ich will anders auf mich schauen, mich lieben lernen und damit einen anderen Weg einschlagen als ich bisher gegangen bin.“ Änderung in diesem Sinne fängt vielleicht damit an, sich nicht zu ändern, sondern im ersten Schritt zu lernen, sich so zu mögen, wie man ist.

Ich habe große Freude daran, Menschen auf diesem Weg zu begleiten.

Autor: Ulrike Dauenhauer – Praxis Doppelpunkt

Wie geht es weiter?

Gehe soweit, wie du sehen kannst, denn wenn du dort angekommen bist, wirst du sehen wie es weitergeht. - www.doppelpunkt-praxis.de

Wir sind vom Urlaub im polnischen Urwald zurück und haben die Zeit dort wieder sehr genossen. Wenn wir dort mit dem Kajak unterwegs sind, erleben wir unterschiedliche Situationen, in denen wir nicht sehen können, wie es weiter geht. Einmal sind da Flussbiegungen, die uns die weitere Sicht versperren, dann wieder ist es Schilf, durch das unser Weg führt und das uns die Sicht nimmt, wieder an anderen Stellen treffen wir auf Hindernisse – Bäume im Wasser – die es zu überwinden gilt und wo wir durch das Hindernis zunächst auch einmal nicht sehr weit schauen können. Jedes mal heißt es, sich der Stelle nähern und sichten, was dort ist. Bei Flussbiegungen, geschieht diese Annäherung sehr vertrauensvoll, denn der Fluss wird ja nicht einfach in einer Sackgasse enden. Beim Schilf ist es schon nicht mehr so klar, wie es weiter geht. Manchmal sehen wir einen Meter weit, manchmal ein Stückchen weiter. Dann heißt es, sich vortasten, Meter um Meter sich vorarbeiten. Das kann bisweilen sehr anstrengend sein und viel Kraft kosten. Bisher erwartete uns jedoch hinter jeder Barriere etwas, es ging weiter, oft war es danach wunderschön, manchmal regelrecht verwunschen und märchenhaft.

Wir können also nur sagen, dass es sich lohnt so weit zu gehen – oder Kajak zu fahren – wie man sehen kann, um sich dann überraschen zu lassen von dem, was dann kommt und wie es da weiter geht. Das gilt jeden Tag im Leben.

Autor: Ulrike Dauenhauer – Praxis Doppelpunkt

Spuren und Wege

Dort wo es Spuren gibt, sind auch Wege. (Frank H. Ritz) - www.doppelpunkt-praxis.de

Ich glaube, wir alle folgen irgendwelchen Spuren, mal bewusster, mal unbewusster. Da sind Wege, die uns vielleicht von Eltern vorgezeichnet wurden. Das kann die Anwaltsdynastie einer Familie sein, wo man dann eben auch Anwalt wird. Oder die Art, wie der gleichgeschlechtliche Elternteil seine Rolle gelebt hat, was dann teilweise bewusst, teilweise unbewusst nachgelebt wird. Das können aber auch ganz andere Spuren sein, denen wir folgen.

Und dann gibt es Situationen im Leben, wo ein Mensch nicht mehr weiß – oder glaubt, nicht mehr zu wissen – wo er lang gehen soll. Entweder sind dann zu viele Spuren da, und der Mensch fragt sich, welcher er folgen könne oder solle. Oder er sieht rein gar keinen Weg.

Jemand der den Weg nicht weiß, aber schon so mancher Spur in seinem Leben gefolgt ist, kann diese Strategie des „Spuren Folgens“ doch wieder anwenden. Ich kann zum Beispiel in einer solchen Schneelandschaft mal den Spuren ein Stück weit folgen und schauen, wohin sie mich führen. Dabei habe ich die Möglichkeit, wieder umzukehren, wenn mir der Weg nicht behagt oder in eine Richtung führt, in die ich nicht gehen möchte.

Selbsthilfegruppen sind oft Orte, wo Spuren zu finden sind, denen andere bereits gefolgt sind. Von den Erfahrungen dieser Menschen kann man profitieren.

Ein guter Zuhörer kann sehr hilfreich sein, weil er mir bei der Selbstexploration hilft, sodass ich im besten Fall meine eigenen Spuren wieder finde und dann wieder weiß, wo ich weiter gehen will. Wir hören gern zu und helfen, die Spuren wieder zu finden, auf denen der Lebensweg weiter gehen kann.

Autor: Ulrike Dauenhauer – Praxis Doppelpunkt

Der schwere Schritt

Es ist immer einfacher das letzte Wort zu haben, als den ersten Schritt zu tun. (Ernst Reinhardt) - www.doppelpunkt-praxis.de

Vor vielen Jahren habe ich mich mal bei einer Freundin beklagt. Ich war damals mit meiner Ehe in einer Krise und war – wie wohl viele andere auch – von so manchem genervt. Besonders ärgerte mich, dass ich – nach meinem Erleben – in Konflikten immer den ersten Schritt tun musste, damit wieder etwas voran ging. Genau das klagte ich meiner Freundin. Doch statt Mitleid und Entlastung – was ich in diesem Fall erhofft hatte – erfuhr ich eine völlig andere Reaktion. Sie sagte zu mir: „Ulrike, wenn Du diejenige bist, die das kann, dann ist das Dein Job und dann hör auf zu meckern und mach ihn.“ Erstmal war ich platt. Das hatte ich so gar nicht erwartet. Aber beim weiteren Nachdenken über ihre Reaktion wurde mir manches deutlich. Menschen sind nun einmal sehr verschieden. Auch ein Ehepartner oder ein guter Freund ist so ganz anders „gestrickt“ als wir selbst. Das macht es uns im Miteinander bisweilen schwer. Gleichwohl ist diese Verschiedenartigkeit natürlich auch ein schöner Aspekt an Beziehungen. Als ich aber weiter nachdachte, ging mir auf, welch unterschiedliche Typen wir beide waren, er und ich. Er eher ruhig, ich eher temperamentvoll. Er eher zurückhaltend, ich eher drauf los und so weiter. Dabei musste ich feststellen, dass der erste Schritt für ihn wahrscheinlich wirklich sehr schwer war. Manchen Menschen mag das sogar grundsätzlich zu schwer sein, auch wenn sie nicht von dem Schlag sind, der immer das letzte Wort haben muss.

Im nächsten Zug machte ich mir klar, dass ich nicht möchte, dass man von mir Dinge verlangt, die ich nicht kann oder mich unter Druck setzt, schneller zu sein in einer Angelegenheit, die mir Mühe macht und nicht leicht von der Hand geht.

Warum also fange ich an, mich quasi zu weigern etwas zu tun, was doch im Grunde mir und meiner Natur entspricht, mir leicht fällt?
Ich glaube, dass dies daher kommt, dass wir irgendwann in einer Beziehung Gefahr laufen, das Rechnen anzufangen. Wie oft hat der oder habe ich dies oder das getan? Warum beginne ich, Dinge stärker zu gewichten, die ich getan habe, als die, die mein Partner getan hat?

Ich muss gestehen, dass ich auf diese warum-Frage keine Antwort habe. Aber allein die Erkenntnis, dass ich – wir alle – gefährdet sind, in diese Denkmuster zu geraten, kann helfen, sie eher zu entlarven und ihnen zu begegnen.

Für eine gelingende Partnerschaft sind viele Dinge wichtig, große und kleine, welche mit viel Zeitaufwand und solche mit weniger Zeitaufwand, kostspieligere und kostengünstige. In großen Zeiträumen gedacht, sollte sich das ausgleichen.

Auch wenn Du nicht derjenige bist, der gern das letzte Wort hat, mach den ersten Schritt.

Autor: Ulrike Dauenhauer – Praxis Doppelpunkt

Kann mir bitte jemand sagen, wo es hier zum Fluss geht ?

Einige Menschen schwimmen mit dem Strom, andere dagegen. Ich steh mitten im Wald und finde den Fluss nicht. - www.doppelpunkt-praxis.de

Wenn alles über einem herein bricht, verliert man schon mal die Übersicht. Das geht mir auch so. Eine Zeit lang ist klar, wo mein Weg lang geht, was zu tun ist, welche Ziele ich habe, welche Schritte ich unternehmen kann, um diese Ziele zu erreichen, und ich lebe ganz zufrieden. Dann kann es geschehen, dass Dinge passieren, die nicht geplant waren, die nie geplant sind (Leben ist das, was passiert, während wir ganz andere Pläne haben). Ein Unfall, eine Erkrankung bei mir selbst oder einem mir sehr nahe stehenden Menschen, plötzliche Änderungen der an mich gestellten Anforderungen und am besten alles gleichzeitig. Und dann ist nichts mehr klar. Einfache Schritte kann ich nicht mehr sehen oder ich sehe sie vielleicht, fühle mich aber völlig außer Stande, sie zu gehen. Kurzum : ich sehe den Fluss nicht.

Was also im ersten Moment irgendwie witzig klingt, kann auch einen tieferen Sinn oder ernsthaften Hintergrund haben. Es ist schon mal gut, wenn der Leser dieser Zeilen, der Betrachter des Bildes im ersten Moment gelacht oder gelächelt hat. Mich hat der Spruch beim ersten Lesen zum Lachen gebracht.

Aber dann blieb mir das Lachen im Halse stecken. Denn es fühlt sich furchtbar an, wenn man so gestrandet ist, wie dieses Boot, wenn man den Fluss nicht mehr findet. Und dieses Gefühl kann noch dadurch gesteigert werden, dass man den Eindruck hat, dass alle anderen sehr wohl im Fluss sind, in der einen oder anderen Richtung, aber drin. Ich fühle mich dann einsam, unverstanden, hilflos. In solchen Situationen ist unser Gehirn maximal von Stresshormonen überflutet. Das hindert das klare Denken, macht mir den Überblick unmöglich. Diese Hormone haben dann die Oberhand, und ich fühle, wie sie gewinnen und ich mich mehr und mehr vom Fluss entferne.

Hier kann helfen, was – meines Wissens erstmals – von Vera Birkenbihl (1946 – 2011) vorgestellt wurde:
Die Stresshormone verhindern, dass ich klar denken und somit die Situation angemessen bewältigen kann. Wenn ich nun die Mundwinkel weit nach oben ziehe, nimmt das Gehirn eine positive Stimmung wahr (auch wenn ich nicht in dieser Stimmung bin). Allein diese muskuläre Aktivität bewirkt eine Ausschüttung jener Hormone, die dem Stress entgegen wirken und damit wieder klares Denken erlauben. Sicher, man kommt sich doof vor, wenn man eine solche Grimasse zieht. Es sieht ja nicht wirklich aus wie lächeln oder lachen. Aber da man sich ja ohnehin schlecht fühlt, ist es eigentlich auch egal, für kurze Zeit so auszusehen. Man soll dieses massive Grinsen – so würde ich das nennen – eine Minute lang halten. Nach 15 Sekunden fängt es an, dass man eine Veränderung spürt. Nach einer Minute ist man deutlich klarer im Kopf, die Emotionalität ist ausgeglichener und die Möglichkeiten, die Situation neu zu bewerten, steigen immens. Und mit einem klaren Kopf kann ich dann auch den Fluss wieder finden.

Autor: Ulrike Dauenhauer – Praxis Doppelpunkt