Leben ändern oder Ändern leben?

Wie wäre es, nicht das Leben zu ändern, sondern das Ändern zu leben? - www.doppelpunkt-praxis.de

Immer wieder höre ich, dass Menschen ihr Leben ändern wollen. Meistens meinen sie damit gar nicht ihr ganzes Leben, sondern in der Regel nur einen Teilbereich. So wollen sie ihr Essverhalten ändern oder mit dem Rauchen aufhören oder sich nicht mehr so aufregen. Bisweilen ist der Bereich, den ein Mensch ändern möchte, dann aber doch gefühlt so groß und bedeutsam, dass es sich anfühlt, als würde er oder sie das ganze Leben verändern. Und dann ist es natürlich so, dass eine Veränderung in einem Teilbereich nicht ohne Nebenwirkungen bleibt, also dass dies auf das ganze Leben seine Auswirkungen hat, die meistens auch andere Menschen – Verwandte und Freunde oder Kollegen – bemerken.

Es ist ja doch so, dass uns das Leben tagtäglich verändert. Wir wachsen, altern, machen Erfahrungen, lernen und so weiter. Wir verändern uns und erleben das als völlige Normalität. Gleichzeitig können Veränderungen – bevorstehende wie bereits eingetretene – große Ängste in Menschen auslösen. In diesen Momenten scheint es so, als wünschten diese Menschen sich, dass sich nichts in ihrem Leben verändern solle. Auch Entwicklungen, die eigentlich ganz selbstverständlich in ein Leben gehören – wie z.B. ein Wohnortwechsel – werden dann mit größten Ängsten erwartet.

Die Nicht-Veränderung ist Starre, also wenig lebendig. Leben ist Fluss in allem und damit permanente Veränderung. Vielleicht wird es leichter, sich auf das Ändern im Leben einzulassen und es zum Zentrum zu machen, wenn man sich klar macht, dass es ja ohnehin ständig mit mir passiert, ohne dass ich es bewusst intendiere. Ich ändere mich, ohne dass ich bewusst etwas dazu tue. Das beweist in meinen Augen, dass ich für Veränderung in meinem Leben eine sehr hohe Kompetenz habe. Wenn mir das öfter deutlich vor Augen ist, dann sind hoffentlich auch die anderen Veränderungen weniger bedrohlich, dann wird das Ändern womöglich sogar zu einer großen Ressource, aus der ich schöpfen kann.

Der Spruch im Bild ist einem Zitat Rilkes nachempfunden.

Autor: Ulrike Dauenhauer

Falschmeldungen über Fake News

Stille Post – (k)ein Kinderspiel! Erwachsene spielen es viel besser und raffinierter. Und in echt, also ohne den entlarvenden und verharmlosenden Stempel: „Spiel“. Stille Post demonstriert, wie Gerüchte entstehen.
Gerüchte und Fake News (Falschmeldungen) sind sich ähnlich und doch nicht gleich! Gerüchte entstehen oft auch unabsichtlich. Durch ungenaues Zuhören, durch unabsichtliches Einpassen in eigene Denk- und Wahrnehmungsmuster.
Wer jedoch absichtlich und zielgerichtet falsche Informationen verbreitet, setzt nicht nur Gerüchte in Umlauf, sondern täuscht, lügt und fälscht die Wahrheit. Aus Fakten werden „alternative Fakten“. Wir Deutsche kennen dies aus unserer eigenen Geschichte, der Nazipropaganda, ziemlich gut. Neuerdings kann man dies auch jenseits des Atlantiks vermehrt beobachten.

Dabei gilt aber auch zu unterscheiden, dass manche Fake News so offensichtlich falsch sind, dass gar keine Betrugsabsicht vorliegt, sondern reine politische Satire. Während ich das schreibe, erhalte ich über Handy ein passendes Beispiel:

„Soeben berichtet CNN in einer Sondersendung von einem Zwischenfall in Washington: Im Weißen Haus ist gegen 7:00 Uhr Ortszeit ein Feuer ausgebrochen und zerstörte die Privatbibliothek von Donald Trump. Beide Bücher wurden restlos zerstört. Besonders tragisch: Das zweite Buch des neuen Präsidenten hatte er noch gar nicht fertig ausgemalt!“

Das kann man lustig finden, oder auch nicht. Es ist offensichtlich eine absichtliche, aber satirische Falschmeldung, welche durch ihre Übertreibung deutlich macht: diese Meldung darf nicht wörtlich genommen werden.
Schlimmer sind Nachrichten oder Informationen, die als Tatsachen verkauft werden. Vor wenigen Tagen „erfand“ die Beraterin des US-Präsidenten ein Massaker, um sein Dekret zum Einreisestopp für mehrere islamische Länder zu rechtfertigen. Details dazu hier: Kellyanne Conway erfindet Massaker

Wer sagt uns nun aber, ob nicht die Presse (in diesem Fall der „Spiegel“) absichtlich Falschmeldungen über Falschmeldungen druckt? Viele Menschen trauen den Medien nicht mehr und bezeichnen sie als Lügenpresse. Kaum einer dieser Zweifler hat dabei aber reflektiert, woher er seine Zweifel hat. Denn auch der Verdacht von Falschmeldungen in der etablierten Presse stammt aus irgendeinem Nachrichtenkanal. Warum eigentlich glaubt man dann diesem und zweifelt am anderen?
Nachdem ich am Dienstag vergangener Woche diesen Blog-Artikel begonnen hatte, wurde am Abend auf ZDF die Polit-Satire „Anstalt“ gesendet. Und als hätten deren Autoren meinen unfertigen Artikel bereits eingesehen, berichten sie über Falschmeldungen über Fake-News. Wer es nachträglich sehen möchte:
Die Anstalt vom 7. Februar 2017 (Ausschnitt) (bis 07.Mai 2017 verfügbar)

trump
Das obige Foto zeigt eine Meldung mit einem angeblichen Zitat von Donald Trump. Es passt ins Klischee und Vorurteil, welches viele von diesem Mann haben. Es ist aber ein erfundenes Zitat, eine Falschmeldung. Ich bin für einen Tag darauf reingefallen, habe dann recherchiert, mich korrigiert und auch alle, denen ich diese News zugeschickt hatte, diesbezüglich informiert.

Während es zu meiner Studienzeit eher noch das Problem gab, an Informationen zu gelangen, ist es heute im Zeitalter von Internet, Google, Facebook, WhatsApp und Wikipedia wesentlich schwieriger, die gefunden Informationen zu selektieren und zu bewerten. So kam vor wenigen Wochen eine angebliche Warnung der Kriminalpolizei vor einem Virus. Man möge umgehend so viel wie möglich Freunde warnen. Die Nachricht selbst war harmlos, sorgte aber für eine Flut unnötiger Mails und Nachrichten, also eine Art Kettenbrief, der sich lawinenartig ausbreitete. Da ist es kein Fehler, vor einem Weiterleiten im Internet einen Faktencheck zu machen. Dies macht kaum mehr Arbeit als das massenhafte Kopieren und Weiterleiten der (Falsch)meldung.

Ich persönlich mag Satire, die von Überzeichnung lebt und es auch mit der Wahrheit nicht immer genau nimmt – solange es klar ist, dass es sich um Satire handelt. Trotzdem möchte ich mich in Zukunft auch mehr darum bemühen, Informationen genauer zu hinterfragen, zu prüfen und einem Faktencheck zu unterziehen. Dazu gehört schon, dass Aussagen als persönliche Meinung gekennzeichnet sind oder die Formulierung „möglicherweise“, „eventuell“ oder „angeblich“ vorangestellt wird.

Nach meiner persönlichen Meinung wird dadurch möglicherweise eventuell die Verbreitung angeblicher Fakten eingeschränkt 😉

© Matthias Dauenhauer

Luther Jubiläumsjahr 2017 – oder Lernen vom Apfelbäumchen

briefmarke-martin-luther-theologe-reformator

Martin Luther auf einer Briefmarke. Aus meiner Jugendzeit kenne ich diese gut, habe sie oft „geschleckt“, denn selbstklebende Marken gab es damals noch nicht. Sie schaffte ab ihrer Erscheinung im Sept. 1961 eine Auflage von fast 2,5 Milliarden! Diese Marke war nur bis zum 31.12.1970 gültiges Porto.

Die Sätze und Zitate von Martin Luther haben auch eine hohe „Auflage“. Der Reformator wird auch 500 Jahre nach seinem Thesenanschlag häufig zitiert. So manches Zitat des Theologen verliert seine Gültigkeit nicht.

Heute will ich auf ein Bonmot eingehen, welches Luther zugeschrieben wird. Allerdings gibt es keinen Beleg dafür (manches spricht dafür, dass es erst während des Zweiten Weltkrieges entstanden ist und dem Mönch in den Mund gelegt wurde).
„Wenn ich wüsste, dass morgen die Welt untergeht, würde ich heute noch ein Apfelbäumchen pflanzen.“
Würde ich das auch? Erste Reaktion beim Hören vor ein paar Jahrzehnten: „Schön blöd! Wenn ich wüsste, dass morgen die Welt untergeht, hätte ich Besseres zu tun!“

Beim Nachdenken über seine Aussage fielen mir zwei Dinge auf:

Erstens: Möglicherweise wollte er sagen, dass ich – obwohl ich „weiß“, dass morgen die Welt untergeht – mich täuschen könnte. Bleibt bei aller Gewissheit nicht eine Restunsicherheit? Besteht nicht eine kleine Chance, dass ich mich getäuscht habe?

Und selbst wenn man im göttlichen Auftrag spricht, wie in der Überlieferung des Alten Testaments der Prophet Jona, welcher der Stadt Ninive den Untergang ankündigte: es könnte sein, dass Gott seine Meinung ändert! Und dann?!
Also würde Luthers Satz aussagen: Selbst wenn Du Dir einer Sache ganz gewiss bist: rechne damit, dass es auch anders kommen könnte! Geh Deinem Tagewerk nach! Komme Deinen Verpflichtungen nach! Lebe, als ob es weiter gehen würde!
Dies muss nicht bedeuten, dass man die realen Gefahren ausblendet und leugnet. Aber es heißt, nicht in Schockstarre zu verfallen, wie das Kaninchen vor der Schlange. Lass Dich von Deinen Ängsten und Sorgen nicht gefangen nehmen! Lass Dich von diesem Schreckensszenario nicht fesseln!

Zweitens: Warum schrieb Luther: „… ein Apfelbäumchen pflanzen“? Warum nicht etwas tun, was am letzten Tag vor dem Weltuntergang noch Sinn macht? Brot backen, Stube aufräumen, Holz hacken … Aber ein Apfelbäumchen pflanzen? Ist das nicht absurd? Ein Bäumchen trägt doch frühestens nach 10 Jahren Früchte. Was ergibt das für einen Sinn? Möglicherweise ergibt sich aus der Absurdität der Sinn seiner Aussage: es geht nicht nur darum, für heute etwas Sinnvolles zu tun, sondern etwas, was Langzeitauswirkungen hat. Ich werde tätig mit einer Aufgabe, deren Folgen in der Zukunft liegen. Und das, obwohl die Situation heute ganz nach Weltuntergang aussehen mag.

Viele sagten schon in den 70er Jahren des letzten Jahrhunderts: in diese Welt kann man keine Kinder mehr setzen. Wegen der Gewalt … der Konflikte … des Klimas … der abnehmenden Rohstoffe … und wegen der machthungrigen Präsidenten oder Kanzler oder Könige usw. Ich höre diese Worte in den letzten Monaten auch wieder: die Welt ist schlecht, lasst uns die Hände in den Schoß legen, es hat eh alles keinen Sinn mehr.

Ob das Zitat nun von Martin Luther stammt oder nicht: Es macht in meinen Augen nicht nur eine Aussage, sondern gibt uns einen Auftrag: bei aller Gewissheit über das Übel in der Welt oder des nahen Weltuntergangs – steck den Kopf nicht in den Sand, lebe und arbeite weiter! Denn ganz sicher kann sich niemand sein. Nimm ein Projekt in Angriff, das Langzeitwirkung hat und vielleicht erst Jahre später Früchte trägt! Es muss kein Apfelbäumchen sein …
© Matthias Dauenhauer

Die innere Haltung

Engel können fliegen, weil sie sich selbst nicht so schwer nehmen. (aus Schottland) - www.doppelpunkt-praxis.de

Engel können fliegen, weil sie sich selbst nicht so schwer nehmen. (aus Schottland)

Über diesen Satz bin ich dieser Tage gestolpert, und er hat mich angesprochen. Ich begann zu überlegen, was mich genau daran angesprochen hat. Zum einen war es die Tatsache, dass zunächst einmal davon ausgegangen wird, dass es Engel gibt. Laut einer Umfrage von Forsa glauben 66% der Deutschen an Engel, während nur 64% an einen Gott glauben. Dann ist für den Sprecher des Satzes ganz offenbar klar, dass Engel fliegen können. Wer an Engel glaubt, wird vermutlich auch das bejahen. Irgendwie gehört das ja ganz klassisch ins Bild der Engel. Wozu sonst hätte ein Engel denn Flügel? Und schließlich werden Engel in aller Regel mit Flügeln abgebildet. Woran sonst würde man denn erkennen, dass dies ein Engel sein soll?
Aber nun die Erklärung, WARUM Engel fliegen können. Die gefällt mir, denn sie ist so gar nicht physikalisch. Es wird hier den Engeln unterstellt, dass ihr Flugvermögen etwas mit ihrer inneren Haltung zu tun hat. Das hat mir imponiert. Es hat mir vor allem deswegen imponiert, weil es die einzige Erklärung ist, die hier gegeben wird. Es scheint also, dass die innere Haltung die ganze Kunst daran ist. Toll!

Meine eigene innere Haltung kann ich beeinflussen. Hier ist eine zentrale Schaltstelle meiner Macht über mein Leben. Ich habe es in der Hand, was ich wie schwer oder leicht nehmen möchte.

Autor: Ulrike Dauenhauer – Praxis Doppelpunkt

Vergiss Kränkungen, doch vergiss Freundlichkeiten nie. (Konfuzius)

kraenkungen-und-freundlichkeiten

Es ist ja bekanntlich alles eine Frage der Perspektive. Auch Kränkungen können sich verändern, wenn wir die Perspektive darauf verändern. Das fällt nicht immer ganz leicht.

Ich habe in meinem Umfeld jemanden, den ich oft als mich kränkend erlebt hatte. Inzwischen überlege ich, ob nicht manche körperliche Krankheit in meinem Leben auch damit zusammen hing, dass ich mich habe kränken lassen. Lange habe ich verschiedene Wege gesucht, damit umzugehen. Mein Bestreben dabei war zunächst, die Beziehung zu diesem Menschen zu verbessern. Dieser Versuch lehrte mich zu erkennen, dass ich diese Beziehung so nicht ändern konnte, weil ich darin immer die innere Erwartung hatte, dass sich das Gegenüber ändern würde, wenn es mich verstünde. Mein Bemühen enthielt also die Annahme, der andere müsse sich (auch) ändern, damit etwas besser würde.

Nachdem mir klar geworden war, dass es immer scheitern würde, wenn ich meinen Anspruch auf Veränderung meines Gegenübers aufrechterhalten würde, änderte ich meine Strategie. Mein Fokus fiel darauf, meine Sicht auf mein Gegenüber zu verändern. Dies war doch auch ein Mensch mit Ängsten und Grenzen, jemand, der sicher Frieden wollte (in seinem Herzen und vermutlich auch mit mir), jemand, der nicht als böswilliges Wesen auf diese Welt gekommen war. Diese Person war sicher oft auch verletzt – vermutlich auch von mir – und sicher oft hilflos mir gegenüber – wie ich ja auch. Dieses Menschenkind war bestimmt oft auch unsicher und es hatte seine eigene Geschichte – mit Verletzungen und Verunsicherungen in seinem Leben – und handelte vermutlich oft so, wie es eben glaubte, handeln zu können (und auch in diesem Punkt gleichen wir uns).

Ich begann, die Kränkungen weniger als gegen mich persönlich zu sehen, als vielmehr als Ausdruck der Geschichte meines Gegenübers und seiner Grenzen und Hilflosigkeiten. Mir half diese Perspektive, mich weniger oft gekränkt zu erleben. Gleichzeitig konnte ich zunehmend gelassener auf die entsprechende Person reagieren. Und je mehr ich den Menschen mir gegenüber sah, desto mehr vergaß ich die Kränkungen, die stattgefunden hatten. Das war sehr heilsam für mich.

Damit ist die eine Seite der Empfehlung von Konfuzius sozusagen abgearbeitet. Die andere Seite ist jedoch nicht weniger wichtig. Und hierbei muss es nicht um Freundlichkeiten der Person gehen, von der wir uns als gekränkt erlebten. Es können ganz andere, völlig unabhängige Freundlichkeiten sein, die uns widerfahren, die es zu bewahren gilt (siehe Foto). Hilfreich ist, sich die kleinen schönen Momente, die Freundlichkeiten, die hellen Momente aufzuschreiben, um das Gedächtnis darin zu trainieren, diese überhaupt wahrzunehmen und ihnen in der Folge eine größere Wichtigkeit zu verleihen. Wir können lernen, unseren Fokus im Alltag zu verschieben von „ich werde ständig gekränkt“ zu „mir passieren wirklich schöne Dinge“. Diese schönen Dinge müssen keine großen Aktionen sein. Das kann die Geste sein, dass jemand die Fahrstuhltür auf hält, damit wir noch mitfahren können oder die Freundlichkeit, mit der wir beim Bäcker bedient worden sind. Es können Worte der Freundschaft oder Wertschätzung sein, die jemand für uns hat oder die Freude, die jemand zeigt, weil wir ihm etwas Schönes sagen.

Je mehr ich den Blick auf die Freundlichkeiten zu richten lerne, desto mehr solcher schönen Momente werde ich erleben.

Autor: Ulrike Dauenhauer

Wer die Wahl hat …

halb-voll-leer-klein

Am Dienstag, den 8. November2016, wird in den USA der 45. Präsident gewählt. Oder eine Präsidentin. Die Bürger haben die Wahl und Medienberichten zufolge sind beide Kandidaten der zwei großen Parteien so unbeliebt, wie noch nie zuvor. Wenn ein US-Bürger überhaupt wählt, dann vielleicht eher, um einen Kandidaten zu verhindern, den man für noch schlimmer hält. Wer die Wahl hat, hat die Qual! Es ist die Wahl zwischen zwei Übeln, zwischen Pest und Cholera und es gilt, das kleinere Übel zu wählen. Am Mittwoch wissen wir mehr.

Nur wenige (Amerikaner) wissen, dass noch mehr Kandidaten zur Wahl stehen. Es ist beileibe nicht nur Donald Trump und Hillary Clinton. Die anderen spielen medial keine große Rolle und können realistisch betrachtet nicht in die Entscheidung eingreifen. Aber sie stehen zur Wahl! Das heißt, diese Dichotomie, dieses Entweder-Oder, dieses Schwarz-Weiß-Denken existiert eigentlich nur in den Köpfen. In Wahrheit gäbe es Alternativen.

Das zeigt auch ein Blick in die Geschichte: Seit 1853 gab es nur noch Präsidenten, die entweder von den Republikanern oder den Demokraten gestellt wurden. Zwischen der Gründung der USA 1776 bis 1853 stellten auch drei (!) andere Parteien den Präsidenten und der allererste, George Washington, war parteilos.

Ist es nicht auch im eigenen Leben so: ich denke: „Ich habe keine Wahl!“ Oder bestenfalls zwischen zwei Übeln. Oder umgekehrt: Ich muss mich zwischen zwei Alternativen entscheiden, die beide gleichwertig gut sind. So soll nach einem philosophischen Gleichnis Buridans Esel verhungert sein, weil er zwischen zwei Heuhaufen stand und sich nicht entscheiden konnte, von welchem er fressen soll. Dieses Dilemma nennt man auch Deadlock, eine Situation, in der sich beide Alternativen gegenseitig blockieren.

Weithin bekannt ist dieses Denken von bestenfalls einer Alternative. Entweder – oder. Das Glas ist entweder halbvoll oder halbleer. Es steht für Optimisten oder Pessimisten. Und eben für die Qual der Wahl. Eine dritte Möglichkeit scheint es nicht zu geben außer diesen beiden Sichtweisen. Vor Jahren wurde mir die Frage gestellt, was ein Ingenieur über dieses Glas sagen würde. Ich hatte keine Idee. Die Antwort lautete: „Der Ingenieur sagt: Das Glas ist doppelt so groß, wie es sein müsste!“ Er lenkt die Aufmerksamkeit vom Inhalt auf das Gefäß. Und schon habe ich eine dritte Sichtweise! Und wer weiß, ob es nicht noch mehr gibt.

In einer meiner vielen Fortbildungen wurden wir immer wieder darauf getrimmt, nach weiteren Alternativen zu suchen und sich nicht auf die scheinbare Entweder-Oder-Schiene zu begeben.

Das Leben ist nicht Schwarz-Weiß. Es hat zumindest viele Graustufen. Und bei genauerer Betrachtung muss ich sagen: Das Leben ist farbig. Manchen wird es vielleicht zu bunt. Dann reduzieren sie, vereinfachen zu Schwarz-Weiß, zu Entweder-Oder. Ich persönlich freue mich über die Farben, die Buntheit, die Vielfalt und die zahlreichen Alternativen, die das Leben bietet.

© Matthias Dauenhauer

Wenn sich Interessen widersprechen

tauben-fuettern-verboten

Es gibt nicht wenige Menschen, die ein Herz für Tiere besitzen. Sie beherbergen Katzen, importieren Straßenhunde aus Spanien, füttern Schwäne am See, hängen ein Vogelhäuschen im Garten auf oder aber sie füttern Tauben in der Stadt.
Dass dies nicht jedem gefällt, ist nachvollziehbar: Tauben in der Stadt machen viel Dreck, auf Dächern, Fenstersimsen und Denkmälern und manchmal treffen sie auch die Bluse oder die Glatze von Passanten, Anwohner fühlen sich auch vom Lärm und vom Geruch belästigt. Außerdem gelten die Tauben als die Ratten der Lüfte und als Verbreiter von Krankheiten und Parasiten.

Die einen wollen ihr berechtigtes Interesse nach Sauberkeit und Gesundheit durchsetzen, die anderen ihr Bedürfnis nach Tierschutz. Inzwischen haben die meisten Städte das Füttern von Tauben verboten. In Stuttgart können bei Zuwiderhandlungen empfindliche Strafen verhängt werden (siehe Foto).
Es gibt viele Bereiche, in denen sich die Bedürfnisse und Interessen von Menschen nicht decken, oder sogar gegensätzlich sind:

Beim Wetter wünscht sich der eine Regen für seinen Garten, der andere Sonnenschein für seine Freizeitaktivitäten.
Der Vermieter freut sich über steigende Mieten, weil er damit seine Rente aufbessert, der Mieter hofft auf jahrelange Mietpreisstabilität, um seine Kosten überschaubar zu halten.
Der eine freut sich über Zuwanderung und MultiKulti, der andere hat Angst vor Überfremdung.
Der Ehemann will den Urlaub am Meer verbringen, seine Frau will in den Bergen wandern. Die Beispiele kann man endlos fortsetzen.

Wie soll man miteinander umgehen, wenn sich die Wünsche nicht auf einen Nenner bringen lassen? Welche Kriterien kann man anwenden, wenn die Bedürfnisse diametral entgegen gesetzt sind?
Bei der Lösung ist Toleranz und Kreativität gefragt. Bei der Frage nach dem Urlaubsort könnte man von Jahr zu Jahr abwechseln (man könnte sogar getrennte Urlaube in Erwägung ziehen). Diese Lösung wäre für das Taubenfüttern nicht praktikabel: an geraden Datumstagen darf gefüttert werden, an ungeraden nicht. Eher geht es um Fragen nach den Konsequenzen. Sind Tauben vom Aussterben bedroht? Wie hoch ist das Krankheitsrisiko für die Tauben, andere Tiere oder gar Menschen. Wie ist es um das natürliche Gleichgewicht bestellt? usw.
Im Dialog zwischen Menschen mit unterschiedlichen Bedürfnissen ist es wichtig, dem anderen erstmal aufmerksam zuzuhören. Was ist sein Anliegen? Aus welcher Motivation heraus trifft er seine Entscheidungen. Wovor hat er Angst? Was ist sein Ziel?

Aus dem Konfliktmanagement (nach dem Harvard-Konzept) kennt man folgendes Beispiel: Zwei Schwestern streiten sich um die letzte Orange in der Küche. Jeder will sie für sich haben. Eine mögliche Lösung könnte im Halbieren der Orange bestehen, aber in unserem Fall wären beide Schwester nicht glücklich. Die Mutter fragt nach, wofür sie die Orange verwenden möchten und es stellt sich heraus, dass die eine Tochter frisch gepressten Orangensaft trinken möchte, während die andere nur die Schale zur Verwendung in einem Kuchen zum Backen benötigt. Jetzt ist die Lösung einfach und führt zu optimaler Zufriedenheit bei den Beteiligten.
Nach der bewährten Harvard-Methode zum Umgang mit Konflikten trennt man zunächst zwischen der Person und der Sache. Dann konzentriert man sich auf die Interessen beider Parteien, sammelt mögliche Lösungen, die dem gegenseitigen Nutzen dienen. Abschließend sucht man gemeinsam nach möglichst „objektiven“ Kriterien, um die Lösung zu beurteilen und zu bewerten. Übrig bleibt ein Lösungsvorschlag, der für beide eine maximale Befriedigung der Bedürfnisse sichert.

Ich wünsche mir in unserer Gesellschaft mehr Sachlichkeit, Toleranz und Kreativität im Umgang mit gegensätzlichen Zielen.

© Matthias Dauenhauer – Praxis Doppelpunkt

MEIN GLOBUS

Globus Eine Welt One World

Bei einem Spaziergang durch die Tübinger Altstadt habe ich in einem Schaufenster das obige Bildmotiv entdeckt. Fünf Globen hängen von der Decke, von innen beleuchtet und gegen den dunklen Hintergrund scheinen sie im All zu schweben.
Die kugelförmige Darstellung des Planeten Erde ist nicht neu, so mancher Schüler hatte ein drehbares Modell auf seinem Schreibtisch stehen. Der erste Globus wurde wahrscheinlich um 150 v.Chr. konstruiert. Mit dem Zugriff auf google earth scheint dies nicht mehr zeitgemäß.

Dennoch sind die dreidimensionalen Abbildungen unseres Heimatplaneten immer wieder faszinierend, u.a. weil die Größen der Länder maßstabsgetreu abgebildet werden und nicht wie bei Kartenmaterial einer Verzerrung unterliegen.
Der vermutlich größte Globus steht in New York im Stadtteil Queens. Er soll die Anwohner daran erinnern, dass ihre Nachbarn aus allen Teilen der Welt stammen. Das finde ich bemerkenswert, denn die USA als Ganzes, und New York speziell gelten ja als Schmelztiegel der verschiedenen Völker.

Das Foto mit Globen könnte die Assoziation auslösen, wir hätten mehrere Globen zur Verfügung. Und manchmal leben wir auch so, als gäbe es Reserve-Erden. Unser Umgang mit der Natur, mit den Ressourcen und der Umwelt ist oftmals gedankenlos oder von der Mentalität „Nach uns die Sintflut“ geprägt.

Der Theologe Martin Niemöller hat bereits 1964 seine Reden unter dem Titel „Eine Welt oder keine Welt“ veröffentlicht. Darin mahnt er die wechselseitige und gemeinsame Verantwortung der Völker und ihre Solidarität an. Es geht nur miteinander. Der Alltag und die Nachrichtenlage offenbaren, dass die Menschen auch Jahrzehnte später noch nicht so miteinander umgehen.

Eine Unterteilung der Welt in 1. Welt, 2. Welt und 3. Welt ist künstlich. Die „Eine-Welt“-Bewegung versucht dem das Bewusstsein entgegen zu setzen, dass unsere Welt einzigartig ist. Globalisierung und Vernetzung sind moderne Begriffe, aber noch immer scheinen nicht alle Politiker ihre Entscheidungen danach auszurichten.
Es bleibt viel zu tun – es bleibt nicht mehr viel Zeit. Ein Globus kann helfen, umzudenken!

© Matthias Dauenhauer – Praxis Doppelpunkt

Wie geht es weiter?

Gehe soweit, wie du sehen kannst, denn wenn du dort angekommen bist, wirst du sehen wie es weitergeht. - www.doppelpunkt-praxis.de

Wir sind vom Urlaub im polnischen Urwald zurück und haben die Zeit dort wieder sehr genossen. Wenn wir dort mit dem Kajak unterwegs sind, erleben wir unterschiedliche Situationen, in denen wir nicht sehen können, wie es weiter geht. Einmal sind da Flussbiegungen, die uns die weitere Sicht versperren, dann wieder ist es Schilf, durch das unser Weg führt und das uns die Sicht nimmt, wieder an anderen Stellen treffen wir auf Hindernisse – Bäume im Wasser – die es zu überwinden gilt und wo wir durch das Hindernis zunächst auch einmal nicht sehr weit schauen können. Jedes mal heißt es, sich der Stelle nähern und sichten, was dort ist. Bei Flussbiegungen, geschieht diese Annäherung sehr vertrauensvoll, denn der Fluss wird ja nicht einfach in einer Sackgasse enden. Beim Schilf ist es schon nicht mehr so klar, wie es weiter geht. Manchmal sehen wir einen Meter weit, manchmal ein Stückchen weiter. Dann heißt es, sich vortasten, Meter um Meter sich vorarbeiten. Das kann bisweilen sehr anstrengend sein und viel Kraft kosten. Bisher erwartete uns jedoch hinter jeder Barriere etwas, es ging weiter, oft war es danach wunderschön, manchmal regelrecht verwunschen und märchenhaft.

Wir können also nur sagen, dass es sich lohnt so weit zu gehen – oder Kajak zu fahren – wie man sehen kann, um sich dann überraschen zu lassen von dem, was dann kommt und wie es da weiter geht. Das gilt jeden Tag im Leben.

Autor: Ulrike Dauenhauer – Praxis Doppelpunkt

Freude bleibt

Jede Freude ist ein Gewinn und bleibt es, auch wenn er noch so klein ist. - www.doppelpunkt-praxis.de

Als ich Kind war, hing bei uns im Flur ein Spruch: „Leuchtende Tage, nicht weinen, dass sie vergangen, sondern lächeln, dass sie gewesen.“ An diesem Spruch bin ich täglich mehrfach vorbei gelaufen. Das hat mich wohl geprägt.

In meinem Alltag erlebe ich häufig folgende (oder ähnliche) Situationen: Jemand erzählt mir von etwas Schlimmem oder Ärgerlichem oder Verletzendem, was er oder sie erlebt hat. Dieser Mensch ist dann in entsprechend gedrückter Stimmung. Das ist verständlich. Im weiteren Gesprächsverlauf wird dann aber oft deutlich, dass durch dieses negative Erlebnis viele positive Erlebnisse davor – womöglich noch mit derselben Person – nur noch negativ bewertet werden oder völlig nichtig sind. Das finde ich extrem schade.

Ich frage mich manchmal, warum es vielen Menschen so schwer fällt, das Gute in ihrem Leben das Gute sein zu lassen.

Menschen, die es genau umgekehrt machen, wirken auf mich – und andere – viel zufriedener, glücklicher, friedvoller. Diese Menschen gibt es ja auch, die Schweres erlebt haben und darüber den Blick auf das Gute behalten haben. Solche Menschen begeistern mich, sind mir Vorbild. Bei diesen Menschen gucke ich, wie das gehen könnte, leichter durchs Leben zu kommen, auch wenn es mal schlecht läuft.

Und die Richtung, in die wir schauen, beeinflusst nachhaltig die Richtung, in die wir uns bewegen. Wenn ich also auf die Freude schaue, werde ich mich auch mehr und mehr in Richtung Freude bewegen. Das ist doch eine schöne Perspektive.

Wenn es also mal wieder nicht so rund läuft, lohnt es sich, den Blick auf bereits erlebte Freuden zu richten, Dankbarkeit dafür zu üben, Randbedingungen dieser Freude deutlich in den Blick zu bekommen und die eigene – innere und äußere – Motorik entsprechend in Gang zu setzen.

Autor: Ulrike Dauenhauer – Praxis Doppelpunkt