Es gibt viele Bücher und auch Ratgeber im Internet, die vermitteln wollen, wie man lernt, sich selbst zu lieben. Ich frage mich, warum wir das als erwachsene Menschen lernen sollen. Das setzt voraus, dass wir es nicht können oder nicht mehr können. Wenn wir es nicht mehr können, also verlernt haben, dann konnten wir es ja einmal. Aber warum haben wir es verlernt? Was ist geschehen, dass wir aufgehört haben, uns selbst zu lieben?
Wenn ein Kind geboren wird, begegnet die Welt ihm in den meisten Fällen mit viel Liebe. Das kleine Wesen mit den winzigen Fingern löst bei fast allen Menschen Faszination aus. Eltern versuchen, diesem neuen Familienmitglied alle Wünsche zu erfüllen, ihm alle Liebe, Nähe und Zärtlichkeit zu geben, die dieser Mensch braucht.
Irgendwann ändert sich etwas. Kritik zieht ein in unser Leben und beginnt, uns zu verunsichern. Die Kritik kommt daher, weil ein Gegenüber Erwartungen hat, die von uns nicht erfüllt werden (können). Plötzlich sind wir nicht mehr so gut, wie wir sind, sondern sollen anders sein oder anderes leisten. Es beginnt der Vergleich und die Bewertung. In dem Moment, wo wir einem anderen nicht mehr genügen, wie wir sind, fangen wir an, an uns zu zweifeln und beginnen, zu vergessen, dass wir uns lieben.
Leider werden wir uns dieses Zustandes oft erst viele Jahre später bewusst (oder gar nicht). Dann stellen wir fest, dass uns die Meinung anderer Menschen viel bedeutet, soviel, dass wir sie für richtiger und wahrer halten als den Blick, den wir auf uns selbst haben. Plötzlich finden wir viele Dinge an uns nicht liebenswert. Wir haben gelernt, uns durch die kritische Brille anderer Menschen zu sehen und halten diesen Blick auf uns für unseren eigenen.
In dieser Lage ist es schwer, Liebe von anderen anzunehmen und auch andere wirklich zu lieben. Deswegen fängt es damit an, dass wir lernen, uns wieder selbst zu lieben, so wie wir es als Kinder konnten, vorbehaltlos, offen und frei. Das erst macht uns frei, anderen in Liebe zu begegnen.
Autor: Ulrike Dauenhauer – Praxis Doppelpunkt