Der schwere Schritt

Es ist immer einfacher das letzte Wort zu haben, als den ersten Schritt zu tun. (Ernst Reinhardt) - www.doppelpunkt-praxis.de

Vor vielen Jahren habe ich mich mal bei einer Freundin beklagt. Ich war damals mit meiner Ehe in einer Krise und war – wie wohl viele andere auch – von so manchem genervt. Besonders ärgerte mich, dass ich – nach meinem Erleben – in Konflikten immer den ersten Schritt tun musste, damit wieder etwas voran ging. Genau das klagte ich meiner Freundin. Doch statt Mitleid und Entlastung – was ich in diesem Fall erhofft hatte – erfuhr ich eine völlig andere Reaktion. Sie sagte zu mir: „Ulrike, wenn Du diejenige bist, die das kann, dann ist das Dein Job und dann hör auf zu meckern und mach ihn.“ Erstmal war ich platt. Das hatte ich so gar nicht erwartet. Aber beim weiteren Nachdenken über ihre Reaktion wurde mir manches deutlich. Menschen sind nun einmal sehr verschieden. Auch ein Ehepartner oder ein guter Freund ist so ganz anders „gestrickt“ als wir selbst. Das macht es uns im Miteinander bisweilen schwer. Gleichwohl ist diese Verschiedenartigkeit natürlich auch ein schöner Aspekt an Beziehungen. Als ich aber weiter nachdachte, ging mir auf, welch unterschiedliche Typen wir beide waren, er und ich. Er eher ruhig, ich eher temperamentvoll. Er eher zurückhaltend, ich eher drauf los und so weiter. Dabei musste ich feststellen, dass der erste Schritt für ihn wahrscheinlich wirklich sehr schwer war. Manchen Menschen mag das sogar grundsätzlich zu schwer sein, auch wenn sie nicht von dem Schlag sind, der immer das letzte Wort haben muss.

Im nächsten Zug machte ich mir klar, dass ich nicht möchte, dass man von mir Dinge verlangt, die ich nicht kann oder mich unter Druck setzt, schneller zu sein in einer Angelegenheit, die mir Mühe macht und nicht leicht von der Hand geht.

Warum also fange ich an, mich quasi zu weigern etwas zu tun, was doch im Grunde mir und meiner Natur entspricht, mir leicht fällt?
Ich glaube, dass dies daher kommt, dass wir irgendwann in einer Beziehung Gefahr laufen, das Rechnen anzufangen. Wie oft hat der oder habe ich dies oder das getan? Warum beginne ich, Dinge stärker zu gewichten, die ich getan habe, als die, die mein Partner getan hat?

Ich muss gestehen, dass ich auf diese warum-Frage keine Antwort habe. Aber allein die Erkenntnis, dass ich – wir alle – gefährdet sind, in diese Denkmuster zu geraten, kann helfen, sie eher zu entlarven und ihnen zu begegnen.

Für eine gelingende Partnerschaft sind viele Dinge wichtig, große und kleine, welche mit viel Zeitaufwand und solche mit weniger Zeitaufwand, kostspieligere und kostengünstige. In großen Zeiträumen gedacht, sollte sich das ausgleichen.

Auch wenn Du nicht derjenige bist, der gern das letzte Wort hat, mach den ersten Schritt.

Autor: Ulrike Dauenhauer – Praxis Doppelpunkt

Liebe meines Lebens

Wenn du die Liebe deines Lebens sehen willst - schau in den Spiegel. (Byron Katie) - www.doppelpunkt-praxis.de

Mir scheint, dass viele Menschen Mühe haben, sich selbst zu lieben. Das ist schade, denn wen kennen wir besser als uns selbst?! Ist es leichter jemanden zu lieben, den wir weniger gut kennen? Könnte es nicht sein, dass wir für jemanden, den wir gut kennen, auch Verständnis aufbringen, wenn er/sie sich mal „seltsam“ verhält oder nicht ganz angemessen reagiert?

In der Bibel steht das Gebot der Nächstenliebe. Da heißt es, dass wir unseren Nächsten lieben sollen WIE UNS SELBST. Damit wird deutlich, dass die Selbstliebe die Voraussetzung für die Liebe zu einem anderen Menschen ist. Deswegen ist es so unendlich wichtig, sich diesem Thema zu widmen. Jeder für sich.

Für Frauen habe ich dazu auch einen passenden Song gefunden, bei dem mir vor allem der Text sehr gut gefällt. Allen Frauen empfehle ich – und das meine ich wirklich ernst – den Song so oft zu hören, bis sie ihn fehlerfrei mitsingen können.

Maite Kelly: Ich bin die Frau meines Lebens

Für Beispiele vergleichbarer Songs für Männer wäre ich an dieser Stelle wirklich dankbar.

Autor: Ulrike Dauenhauer – Praxis Doppelpunkt

Sprache der Musik

Musik ist die Sprache, die wir alle verstehen. - www.doppelpunkt-praxis.de

Wäre das nicht Wunder-voll, wenn alle Menschen eine Sprache sprächen? Wie schwer ist es oft schon, sich mit dem eigenen Partner zu verstehen. Selbst da gibt es ja Momente, in denen man denkt, der andere sei aus einer anderen Kultur.

Und nun kommen Menschen zu uns, die andere Sprachen sprechen, andere Musik hören und die uns damit bisweilen sehr fremd erscheinen. Ich wünsche uns allen, dass wir – vielleicht über die Sprache der Musik – im Neuen Jahr mehr Gemeinsames als Trennendes finden, sowohl mit denen, die uns besonders nah sind als auch mit denen, die wir noch nicht kennen.

Autor: Ulrike Dauenhauer

Die tückische Angst vor Fehlern

Der größte Fehler, den du im Leben machen kannst, ist aus Angst, einen Fehler zu machen, nichts zu tun. - www.doppelpunkt-praxis.de

Wer kennt das nicht? Da ist eine Beziehung schwierig geworden, Missverständnisse sind an der Tagesordnung, man ist verunsichert. Und aus Angst, es wieder falsch zu machen, wieder etwas Falsches zu sagen, schweigt man lieber. Man glaubt, wenn man nichts sagt, kann man schon nichts Falsches sagen. Das klingt ja irgendwie plausibel. Ist es aber nicht.

Wenn ich nichts mehr sage, ist das auch eine Form von Aggression, behaupte ich. Es kommt zu einem Kommunikationsembargo. Wikipedia erklärt den Begriff Embargo so: „Ein Embargo (von spanisch embargo ‚Beschlagnahme‘, ‚Pfändung‘) ist in der internationalen Wirtschaft und Politik die Unterbindung des Exports und Imports von Waren oder Rohstoffen in ein bzw. aus einem bestimmten Land.“
Wir verhindern also in diesem Moment aktiv etwas, was in der Beziehung wichtig ist: Kommunikation. Ohne Kommunikation passiert nämlich nicht NICHTS. Es kommt zur Vertiefung des Grabens zwischen den Seiten und jeder Neuanfang, jeder weitere Versuch wird weiter erschwert. Die Fronten verhärten sich.

Ebenso ist es mit Handlungen. Wenn ich die Befürchtung habe, meine Aktion könnte falsch sein, habe ich verschiedene Möglichkeiten, damit umzugehen. Gar nichts zu tun, ist leider nicht der Beste und auch nicht der Sicherste Weg. Nehmen wir ein Beispiel: Im Bus wird jemand grundlos angepöbelt. Dieser Mensch wehrt sich und hat damit keinen Erfolg. Andere Passagiere schauen weg und schweigen. Das kann verschiedene Gründe haben – auch solche die verstehbar erscheinen. Aber im Schweigen haben sie dem Pöbler zugestimmt. Eine Enthaltung ist in diesem Fall eine Zustimmung zum Fehlverhalten des Pöblers.

Ich kann nicht nicht-handeln. Im Unterlassen nehme ich die Folgen meines Unterlassens in Kauf, was ein noch schwerwiegenderer Fehler sein kann, als wenn ich aktiv gehandelt hätte.

Es ist oft nicht leicht, in verfahrenen Situationen einen Weg zu finden, wieder miteinander ins Gespräch zu kommen. Wenn es sich dabei um einen Menschen handelt, der uns wichtig ist und am Herzen liegt, sollten wir uns ein Herz fassen und etwas sagen oder tun. Wir könnten damit beginnen, dem anderen unsere Angst, es falsch zu machen, mitzuteilen. Wir könnten weiterhin an den Anfang unserer Aktion Worte stellen, die deutlich machen, welche Intention wir haben, welches Ziel wir verfolgen, dass wir wieder zueinander finden wollen, dass wir Frieden und harmonisches Miteinander wollen und mitnichten vorhaben, unser Gegenüber zu verletzen. Nach solchen „Vorworten“ wird der andere vielleicht schon etwas anders zuhören, auch wenn unsere Worte dann holprig kommen und keineswegs perfekt sind. Und wir sollten uns klar machen, dass unser Gegenüber in den meisten Fällen in einer ganz ähnlichen Situation steckt und ähnliche Ängste hat, die ihn genauso hindern, den ersten Schritt zu tun. Würde es ihm/ihr leichter fallen, säßen wir ja nicht gemeinsam so in der Falle.
Der Weg aus dieser Falle gelingt nur, wenn eine Seite den Mut hat, einen Schritt zu tun. Dabei kann es mir helfen, wenn ich zunächst versuche, zu sehen, dass es dem anderen ähnlich gehen könnte. Dann lohnt es sich, nach Dingen zu schauen, für die es sich in dieser Beziehung zu kämpfen lohnt. Was ist schön und wertvoll zwischen uns? Ich kann das formulieren und dem anderen sagen, dass ich diese Dinge schätze und erhalten bzw. wiederbeleben möchte. Und ich kann von mir sprechen und meiner Unsicherheit. Das zeigt dem anderen, dass ich in freundlicher Absicht komme. Damit entschärfe ich die Situation und trage dazu bei, dass der andere mir zuhört und meine Absicht erkennt.

Autor: Ulrike Dauenhauer – Praxis Doppelpunkt

Wenn Streit weiter wirkt

Zanke niemals in Gedanken mit jemand. Das verbittert das Gemüt oft mehr als wirklicher Streit und ist die Ursache vieler innerer Unruhe. (Carl Hilty) - www.doppelpunkt-praxis.de

Wer kennt das nicht, dass einen ein Streit nicht loslässt? Ich erlebe hier in meiner Arbeit immer wieder Menschen, die mit jemand Streit hatten oder etwas als verletzend empfunden haben und darunter leiden. Dann werden mir Geschichten erzählt, die manchmal schon Jahre oder Jahrzehnte her sind. Aber der Mensch, der vor mir sitzt, erlebt es, als wäre es gerade jetzt, in diesem Moment, wo er mir dies erzählt. Da wird durch die Erzählung die ganze alte Geschichte wieder so aktuell, als würde sie jetzt ablaufen. Bis zu diesem Zeitpunkt, wo mir diese Geschichte erzählt wird, wurde sie meist schon etliche Male erzählt, teils hörbar für einen anderen, teils unhörbar im eigenen Kopf. Und jedesmal wirkte sie, als wäre es genau jetzt so, als hörte der Mensch die verletzenden Worte jetzt und würde den Schmerz über diese Situation jetzt erleben. Da wirkt der Streit in Gedanken also schon sehr lange und die Wunde in der Seele kann nicht heilen oder wird sogar mit der Zeit immer tiefer.

Wenn wir in Gedanken eine Auseinandersetzung fortsetzen, uns weiter grämen, weiter dem anderen grollen, weiter die Ungerechtigkeit, die uns widerfahren ist, füttern, verbittert das Gemüt. Die Seele leidet weitaus länger als nur in dem Moment, wo das Unrecht geschehen ist. Somit vertiefen wir selbst den Schmerz, wenn wir uns im Innern nicht davon weg bewegen, nicht in uns einen Weg finden, diesen Schmerz zu beenden, indem wir beginnen, ihn los zu lassen.

Dazu kann es verschiedene Wege geben. Wir schauen in unserer Arbeit hier mit jedem einzelnen, welcher Weg für ihn gangbar ist und wie er seinen inneren Frieden wiederfinden kann. Auch wenn ich mit dem anderen vielleicht keinen Frieden machen kann, kann ich ihn doch in mir selbst finden. Allein ist das nicht immer so leicht, weil wir in unseren Gedankenkreisen festhängen. Aber gemeinsam lässt sich da viel bewegen, helfen Sichtweisen von außen und bis zu dem Moment neue Impulse und auch körperliche Erfahrungen, wie es sich anders anfühlt, wenn es in einem wieder ruhiger und friedlicher wird. Nachlassender Schmerz ist spürbar. Und dieses Gefühl, dass es leichter wird, hilft, den Weg dann weiter zu gehen.

Autor: Ulrike Dauenhauer – Praxis Doppelpunkt

Ende vom Streit

Nichts ist häufiger, als dass am Ende eines Streits beide Gegner um die Wette Unsinn reden (Ferdinando Galiani) -www.doppelpunkt-praxis.de

Wer kennt das nicht, Streit? Sicher hat jeder von uns schon einmal Streit erlebt. Manchmal ist es ein kleiner Streit, der schnell beigelegt ist. Manchmal wird daraus eine über Jahre und Jahrzehnte dauernde Familienfehde.

Je länger ein Streit dauert, umso absurder wird er meist. Mit zunehmender Länge der Auseinandersetzung kommt auch unsere Erinnerung, wer wann was gesagt oder getan hat, zum Tragen. Und unsere Erinnerung kann uns leicht täuschen. Nur neigen wir alle zu gern dazu, unseren eigenen Erinnerungen zu trauen, als wären sie Video-Aufzeichnungen in unserem Gehirn, die gegen jede Änderung oder Überarbeitung immun sei. Aber genau das stimmt nicht. Wir verändern unsere Erinnerungen permanent. Jede neue Erfahrung, die wir machen, führt zu einer neuen Bewertung bereits in der Vergangenheit erlebter Dinge. Und diese neu Bewertung des bereits Vergangenen kommt als Erinnerung in uns zum Vorschein, die uns glauben machen will, es sei alles anders gewesen (oder es stellt sich nun, nachdem weitere Informationen hinzugekommen sind, völlig anders dar).

Dann wird außer über das eigentliche Streitthema auch darüber gestritten, was bisher war und wer was gesagt hat und wie er es gemeint hat. Auch das meinen wir gern besser zu wissen, was der andere gemeint hat. Zwar handelt es sich dabei um eine Vermutung oder Interpretation. Aber wir verhalten und sprechen oft so, als wären wir da besser darüber informiert, was gemeint war, als unser Gegenüber, das gesprochen oder gehandelt hat.

Unser damit immer verworrener werdendes Bild des aktuellen Streites – veränderte Erinnerungen, Überzeugungen über den anderen und seine Motivation bzw. über Bedeutung von Gesagtem und unsere damit verbundene Selbstsicherheit hinsichtlich der „Fakten“ des Streits – macht eine Lösung immer schwieriger. Deswegen reden am Ende oft beide Seiten nur noch Unsinn. Wenn auch hier wieder nur der Unsinn der Gegenseite wahrgenommen wird – der selbst fabrizierte Unsinn jedoch als solcher nicht gesehen wird – droht eine weitere Eskalation. Wir sind vom Frieden noch weiter entfernt als vorher.

Hier ein paar Lösungsvorschläge:
– Bleibe selbst fair.
– Hinterfrage deine eigenen Erklärungen des Streits und erhebe sie nicht zur einzigen Wahrheit.
– Glaube dem anderen, was er sagt.
– Hinterfrage weniger was der andere sagt und interpretiere weniger wie er es sagt.
– Frage nach, wenn dir seltsam vorkommt, was der andere sagt. Frage nach, bis du verstanden hast.
– Signalisiere, dass du um Verstehen bemüht bist und nicht nachfragst, um dem anderen dann das Wort im Munde zu verdrehen.
– Signalisiere, dass du die Sache mit ihm lösen willst und es dir nicht ums Gewinnen geht.
– Bleibe partnerschaftlich. Da hat gewinnen-wollen nichts zu suchen.

Autor: Ulrike Dauenhauer Praxis Doppelpunkt

Frieden machen

Jemandem entgegen kommen, heißt auch, die Waffen fallen lassen. www.doppelpunkt-praxis.de

Immer wieder mal kommt es vor, dass wir mit jemanden in Konflikt geraten sind. Irgendetwas ist geschehen, jemand hat etwas gesagt oder getan und schon ist da Streit. Wenn mir das passiert, geht es mir schlecht, sehr schlecht. Ich mag keinen Unfrieden. Das setzt mir emotional sehr zu, umso mehr, je näher mir der andere steht. Also möchte ich wieder Frieden haben. Das ist aber gar nicht immer so einfach zu erreichen.
Manchmal gelingt es mir, den berühmten ersten Schritt zu tun, manchmal tut es aber auch der andere. Es ist letztlich nicht wichtig, wer den ersten Schritt tut. Wichtig ist, WIE er es tut. Wenn ich mit dem anderen Frieden machen will, ist es wichtig, dass ich in mir Frieden gefunden habe. Es darf noch das Gefühl des Verletzseins da sein. Das vergeht ja nicht immer so schnell. Aber zum Frieden gehört, dass ich dem anderen jetzt nicht wieder eins auswischen will, dass ich nicht wieder ein hartes Wort sage. Ich habe ja viele Waffen in Worten und Gesten, mit denen ich an diesem Punkt den Frieden verhindern kann. Ich muss bereit sein, zu vergeben, was war. Da Vergeben ein längerer Prozess sein kann, der nicht mit einem Wort oder einer Geste erledigt sein muss, reicht die Bereitschaft zu vergeben. Wenn ich grundsätzlich bereit bin, kann ich anfangen zu vergeben. Und vergeben ist nicht gleichbedeutend mit vergessen. Was war, wird durch Vergebung nicht ungeschehen gemacht und auch nicht klein geredet. Aber der Vorfall bekommt eine andere Bedeutung und hat ab da nicht mehr die Kraft, mich weiter zu zerstören.

Wenn ich derjenige bin, der den ersten Schritt tut, möchte ich auf keinen Fall wieder „Schläge“ bekommen, weder verbal noch nonverbal. Es ist ein Schritt, der mich Mut kostet, bei dem ich mich nochmal besonders verletzlich fühle. Wenn ich mir das recht überlege, spüre ich, wie wichtig es mir da ist, dass der andere mir dann auch friedlich begegnet.
Das macht es mir leichter, innerlich auch meine Waffen fallen zu lassen, das heißt alles zu lassen, was dann doch wieder zur Fortsetzung der Auseinandersetzung führt, wo ich dem anderen doch nochmal eine „rein würge“. Keine bissigen Bemerkungen jetzt, keine bösen Blicke. Das braucht Mut und Vertrauen. Aber es lohnt sich, denn nur, wenn ich im Frieden bin, kann ich meinen Alltag wirklich leisten, kann ich den Anforderungen und mir selbst gerecht werden, weil keine Energie in einen destruktiven Prozess geht.

Autor: Ulrike Dauenhauer – http://www.doppelpunkt-praxis.de

Meine Urgroßmutter

Ich hatte noch das große Glück, mit einer Uroma groß zu werden. Und heute ist der Tag, wo ich diese Frau, die mich sehr beeindruckt und auch geprägt hat, hier zu Wort kommen lassen und sie damit ehren möchte.

Meine Uroma lebte von 1889 bis 1982. So habe ich sie immerhin bis zu meinem 17.Lebensjahr erleben dürfen. Sie war eine kleine Frau, die innerlich aber ziemlich groß war. Ich habe sie als eine wirklich weise und gütige Frau erlebt. Einer ihrer Aussprüche begleitet mich seit vielen Jahren durchs Leben und hat mir oft geholfen, wenn es mir gerade nicht gut – oder auch wirklich schlecht – ging.

Dieser Satz heißt: „Kein Unglück ist so groß, als dass nicht noch ein Stückerl Glück dabei wäre.“

Meine Uroma hat zwei Weltkriege erlebt. Wenn sie von Unglück sprach, wusste sie, was sie meinte. Sie hatte wirkliches Unglück erlebt, erlitten und überlebt. Es hat sie nicht hart und verbittert gemacht, sondern weich und weise. In ihrem Satz spricht sie nicht nur von Unglück, sondern sie sagt „kein“. Es gibt also keine Ausnahme. Jedes Unglück, was einem widerfahren mag, ist von ihr gemeint. Es kann nicht so hart kommen, dass ihre Weisheit keinen Bestand mehr hätte. Weiter sagt sie, dass da ein „Stückerl Glück“ dabei wäre. Hier geht es also nicht um den großen Ausgleich, dass man für großes Unglück irgendwann großes Glück erwarten dürfte. Nein, ein kleines Stück ist gemeint. Es gibt also diesen Funken Hoffnung, der einen ermutigen kann, weiter durchzuhalten oder zu kämpfen, denn da ist irgendwo versteckt ein Stückchen Glück.

Wann immer ich in solchen Situationen in meinem Leben war, wo ich mich fragte, was das alles soll, welchen Sinn das alles haben könnte, half mir Omas Satz. Ich habe vor Jahren beschlossen, dass dieser Satz der einzige in meinem Leben sein soll, den ich nicht hinterfragen werde, sondern der immer gültig sein soll. Und wenn es dann eben dicke kam und ich verzweifelte und aufgeben wollte, dann dachte ich an meine Uroma und ihren Satz. Und dann fing ich an, zu suchen. Das „Stückerl Glück“. Natürlich habe ich es oft nicht gefunden, wenn ich in der Misere drin steckte. Aber ich hielt daran fest, dass es da sei, dass Oma einfach Recht hat. Es konnte dann jeweils nur an meiner Perspektive liegen oder daran, dass ich noch nicht gründlich genug geschaut hatte. Irgendwann würde ich das kleine Glück finden. Dessen war ich mir immer sicher. Und deswegen habe ich nie aufgegeben. Und bisher habe ich auch immer etwas gefunden, was dem Stückchen Glück entsprach. Manchmal hat es Jahre gedauert, bis mir klar wurde, was das Glück an jener längst überstandenen Krise war. Gelegentlich ging es auch schneller. Aber die Oma hat immer Recht behalten. Mich hat das durch viele Krisen getragen. Danke Oma Marie!

© Ulrike Dauenhauer

Rilke-Text, der unsere Grundhaltung vermittelt

Man muss den Dingen die eigene, stille ungestörte Entwicklung lassen,
die tief von innen kommt und durch nichts gedrängt oder beschleunigt werden kann,
alles ist Austragen – und dann Gebären…

Reifen wie der Baum, der seine Säfte nicht drängt
und getrost in den Stürmen des Frühlings steht,
ohne Angst, dass dahinter kein Sommer kommen könnte.

Er kommt doch!

Aber er kommt nur zu den Geduldigen,
die da sind, als ob die Ewigkeit vor ihnen läge,
so sorglos, still und weit…

Man muss Geduld haben.

Mit dem Ungelösten im Herzen,
und versuchen, die Fragen selber lieb zu haben, wie verschlossene Stuben,
und wie Bücher, die in einer sehr fremden Sprache geschrieben sind.

Es handelt sich darum, alles zu leben.
Wenn man die Fragen lebt, lebt man vielleicht allmählich,
ohne es zu merken, eines fremden Tages in die Antworten hinein.

Rainer Maria Rilke

Unversöhnlichkeit – „Verzeih´, dass ich nicht vergeben kann!“

„Verzeih, dass ich nicht vergeben kann!“
Das Phänomen der Unversöhnlichkeit

Jeder von uns kennt sie: Menschen, die nachtragend sind, die nicht vergeben können und die ollen Kamellen immer wieder aufwärmen. Unversöhnliche Zeitgenossen. Was ist Unversöhnlichkeit genau? Wie kommt sie zustande? Was bewirkt sie? Und gibt es Auswege?

BEGRIFFSKLÄRUNG
Auch wenn manche gerne die „Vertöchterung“ neben die „Versöhnung“ gestellt wissen möchten: „Versöhnung“ kommt etymologisch von „Sühne“. Damit ist gemeint, für ein Unrecht eine Sühneleistung bzw. eine Strafe auf sich genommen zu haben. Der Unversöhnliche ist also entweder der Schuldige, der nicht zu einer Sühne bereit ist, oder der Geschädigte, der keine Entschuldung zulässt.

URSACHEN der UNVERSÖHNLICHKEIT
Gerne unterstellt man dem Unversöhnlichen einen schlechten Charakter oder schlicht den fehlenden Willen zur Versöhnung. Das mag in Einzelfällen zutreffen, aber oft wird übersehen, dass der Unversöhnliche für sein Verhalten auch seine Gründe haben mag. Vielleicht wurde er nicht oder unangemessen um Vergebung gebeten. Vielleicht spürt er keine Reue beim Täter. Vielleicht wartet er auf eine Wiedergutmachung. Vielleicht fällt ihm die Versöhnung schwer, weil es sich um einen Wiederholungstäter handelt. Wie viele Demütigungen und körperliche Misshandlungen kann jemand aushalten, oder wie viel Untreue ist tolerierbar? Auch bei den Frömmsten wird die biblische Zahl von 490 Mal selten erreicht (vgl. Matthäus Evangelium 18:21-22).
Wir kennen die Sätze vom „unverzeihlichen Fehler“. Aber was ist wirklich unverzeihlich? Wenn der Schaden nicht mehr beglichen werden kann? Wenn ein Mensch zu Tode kam? Wenn Absicht dahinter lag?
Es gibt aber auch Menschen, die für ihr handeln nicht verantwortlich sind. Wenn beim Täter keine „Schuldfähigkeit“ vorliegt, dann „gibt es da nichts zu entschuldigen!“, oder? Dann ist diese Person wohl die Ursache für den entstandenen Schaden, aber sie ist nicht schuld.
Ein Missverständnis ist die häufig zitierte, aber dennoch falsche Behauptung, vergeben heiße vergessen. Dem ist nicht so! Wem gravierende Schuld wiederfahren ist, wird diese ziemlich sicher nie mehr vergessen. Nach einer Vergewaltigung in einem Parkhaus wird jede Einfahrt in die Tiefgarage zu einer ungewollten „Erinnerung“. Das schließt nicht aus, dass das Opfer dem Täter verziehen hat. Es ist eine Unterstellung, dass wer nicht vergessen kann, auch nicht verziehen hat.
Wir müssen uns hüten, mit zweierlei Maß zu messen. Wenn wir Unrecht begangen haben, erwarten wir nach einer entschuldigenden Geste, dass uns Vergebung gewährt wird. Aber wenn wir Unrecht erlitten haben, erlauben wir uns durchaus, die Bitte um Verzeihung des anderen zu bewerten: Ist sie ehrlich oder war sie nur eine Floskel? War sie in Art und Umfang dem Unrecht angemessen? Zeigt der Täter Reue? Kann und will er eine Wiedergutmachung leisten? Wir behalten uns vor, die Entschuldigung anzunehmen.

UNVERSÖHNLICHKEIT hat FOLGEN
Zunächst einmal für den „Schuldigen“. Wer Vergebung sucht, aber nicht erhält, der trägt oft lange an seiner Last. Die Bürde nicht vergebener Schuld kann zu Veränderungen der Persönlichkeit führen, depressive Symptome hervorrufen und auch psychosomatische Beschwerden auslösen. Interessanterweise gerät man oft in das Dilemma, dass man zwar weiß, dass Gott einem vergeben hat, aber die Schuld drückt weiter auf einem, weil der Mensch die Entschuldigung nicht gewährt hat. Ist es beim biblischen Gleichnis vom verlorenen Sohn nicht tragisch, dass es zwar zu einer Versöhnung, nicht aber zu einer Verbrüderung kommt?!
Aber auch für den „Unversöhnlichen“, den „Schuldner“, kann dieses Verhalten wie ein Bumerang zurückfallen: Seine anhaltende Unversöhnlichkeit gleicht einer inneren Verhärtung. Man wird zunehmend „gnadenlos“ und unbarmherzig. Als „Opfer“ verharre ich damit ungewollt auch in dieser Rolle und werde das erlebte „Trauma“ kaum los. Ich schleppe es mit durch mein Leben und vergehe evtl. vor Selbstmitleid. Meist wird übersehen, dass der Unversöhnliche sich damit selbst keinen Gefallen tut. Abgesehen davon ist es auch möglich, dass ihm selbst einmal ein Unversöhnlicher begegnet. Dann würde er selbst erleben und spüren, wie man sich auf der anderen Seite fühlt.
Ein weiterer spezieller Aspekt ist die Unversöhnlichkeit gegenüber Gott. Manche Menschen hadern mit dem Schicksal oder dem Allmächtigen, weil sie die Bürde die sie zu tragen haben, als ungerecht empfinden.

Ein letzter Aspekt: Es gibt Menschen, die mit sich selbst unversöhnlich sind. „Das kann ich mir nie verzeihen!“ hört man Menschen sagen, die mit sich selbst nicht eins sind. In allen genannten Fällen hat man keinen zufriedenen oder glücklichen Menschen vor sich.

WEGE in die UNVERSÖHNLICHKEIT
Wahrscheinlich suchst Du eher einen Weg zur Versöhnlichkeit als den in die Unversöhnlichkeit. Aber – mit etwas Augenzwinkern – kann auch die Anleitung zur Unversöhnlichkeit im Kasten am Ende des Artikels zeigen, wie Versöhnung sehr lange dauert oder unmöglich wird.
Demjenigen, der auf Versöhnung wartet, darf man sagen: Versöhnung mit einem Menschen lässt sich nicht erzwingen. Demjenigen, der unter seiner eigenen Unversöhnlichkeit leidet darf man sagen: Prüfe Dich selbst und stelle Dir z.B. folgende Fragen: Warum fällt mir Versöhnung schwer? Ist das immer so, oder gab es auch Ausnahmen? Ist der Täter für seine Tat verantwortlich? Was macht Versöhnung leichter? Liegt es daran, dass der Täter seine Schuld nicht einsehen will? Was müsste der Täter sagen oder tun, damit ich ihm verzeihen könnte? Streiche den Satz: „Das verzeihe ich dir nie!“ aus deinem Repertoire und ersetzt ihn durch die Formulierung: „Ich kann Dir verzeihen, wenn Du …!“. Ist meine Forderung nach Wiedergutmachung angemessen und erfüllbar oder „vernichte“ ich damit den anderen? Könnte ich, wenn ich wollte, ihm sogar vergeben, wenn er keine Reue zeigt?

WEGE zur VERSÖHNUNG
Viele versuchen es mit einem „Trick“, der durch den paradoxen Satz: „Ich entschuldige mich!“ zum Ausdruck kommt. Wer entschuldigt eigentlich wen? Hier entschuldigt der Täter sich selbst, was gar nicht geht. Die korrekte Formulierung müsste lauten: „Ich bitte um Entschuldigung!“ Die Entschuldung kommt vom Opfer! Aber bei größeren Vergehen ist eine einfache verbale Entschuldigung in der Regel nicht mehr ausreichend. Da muss man schon in aller Form um Verzeihung bitten, Erklärungen liefern, Reue zeigen, Besserung ankündigen, Wiedergutmachung anbieten oder gar eine Strafe auf sich nehmen.
Es kann hilfreich sein, sich klar zu machen, dass Vergebung ein Prozess ist, der emotionale und gedankliche Prozesse beinhaltet. Zum einen wird dadurch deutlich, dass es Zeit braucht, bis Vergebung „abgeschlossen“ ist. Zum anderen verstehen wir dann besser, warum Kopf- und Bauchgefühl manchmal (noch) nicht überstimmen. Am Anfang steht i.d.R. der Entschluss zur Vergebung. Versöhnung ist also durchaus auch Willenssache. Weitere z.T. widersprüchliche Gedanken und Gefühle begleiten dann diesen Prozess.
Im alten Israel wurde Versöhnung zelebriert. Es gab ein Procedere, es gab Opfer, es gab einen großen Versöhnungstag. Wir können davon lernen. Wenn aus der Versöhnung eine „Zeremonie“ gemacht wird (nicht im kultischen oder mystischen Sinne), dann wird sie eher erlebbar und spürbar. Dabei kann es sich um einen Brief handeln, eine nonverbale Geste oder sonst eine Handlung. All das kann eine Hilfe zur Versöhnung sein.
Sicher gibt es kein Rezept, welches in allen Fällen zu einer Versöhnung führt. Wichtig ist aber in allen Fällen, dass die Beteiligten sich miteinander auseinandersetzen, ins Gespräch kommen und eine Einigung anstreben.

FAZIT: Es lohnt sich, nicht nachtragend zu sein, sondern Versöhnungsbereitschaft zu zeigen. Es lohnt sich für den, dem Verziehen wird. Und es lohnt sich für den, der verzeiht. Versöhnungsbereitschaft lässt sich lernen!

10 TIPPS für eine ERFOLGREICHE UNVERSÖHNLICHKEIT

1) Triff die Entscheidung, dass es „Unverzeihliches“ gibt!
2) Fertige Dir eine ausführliche Liste unverzeihlicher Fehler an. Lerne Sie am besten auswendig!
3) Sorge für eine solide Buchführung der unverzeihlichen Fehler Deiner Mitmenschen in einem Tagebuch. Zumindest aber vergiss die mentale Speicherung nicht!
4) Sei gegenüber Entschuldigungen anderer prinzipiell misstrauisch! Akzeptiere generell die ersten sieben Entschuldigungen auf keinen Fall und prüfe damit deren Echtheit!
5) Verlange eine schriftliche Entschuldigung, wenn Du eine mündliche erhältst!
6) Verlange eine öffentliche Entschuldigung, wenn Du eine schriftliche erhältst!
7) Verlange eine eidesstattliche Entschuldigung, wenn Du eine öffentliche erhältst!
8) Erwarte unbedingt, dass der andere den Anfang macht, und zeige keine Schwäche, indem Du auf ihn zugehst!
9) Zeige die Größe des Vergehens auch dadurch an, dass Du auf frühere hinweist. Lass nicht zu, dass aus einem Elefanten eine Mücke gemacht wird!
10) Lass Dich auf keine Kompromisse ein, denn es geht um die Wahrheit!

© Matthias Dauenhauer

Dieser Artikel erschien in erweiterter Fassung im November 2005 in der Zeitschrift „Adventecho“ (Auflage 25.000 Exemplare). Der Originalfassung kann unter: http://www.advent-verlag.de/cms/cms/upload/adventecho/pdfs/AE-2005-11-01-Dauenhaer.pdf abgerufen werden.