Falschmeldungen über Fake News

Stille Post – (k)ein Kinderspiel! Erwachsene spielen es viel besser und raffinierter. Und in echt, also ohne den entlarvenden und verharmlosenden Stempel: „Spiel“. Stille Post demonstriert, wie Gerüchte entstehen.
Gerüchte und Fake News (Falschmeldungen) sind sich ähnlich und doch nicht gleich! Gerüchte entstehen oft auch unabsichtlich. Durch ungenaues Zuhören, durch unabsichtliches Einpassen in eigene Denk- und Wahrnehmungsmuster.
Wer jedoch absichtlich und zielgerichtet falsche Informationen verbreitet, setzt nicht nur Gerüchte in Umlauf, sondern täuscht, lügt und fälscht die Wahrheit. Aus Fakten werden „alternative Fakten“. Wir Deutsche kennen dies aus unserer eigenen Geschichte, der Nazipropaganda, ziemlich gut. Neuerdings kann man dies auch jenseits des Atlantiks vermehrt beobachten.

Dabei gilt aber auch zu unterscheiden, dass manche Fake News so offensichtlich falsch sind, dass gar keine Betrugsabsicht vorliegt, sondern reine politische Satire. Während ich das schreibe, erhalte ich über Handy ein passendes Beispiel:

„Soeben berichtet CNN in einer Sondersendung von einem Zwischenfall in Washington: Im Weißen Haus ist gegen 7:00 Uhr Ortszeit ein Feuer ausgebrochen und zerstörte die Privatbibliothek von Donald Trump. Beide Bücher wurden restlos zerstört. Besonders tragisch: Das zweite Buch des neuen Präsidenten hatte er noch gar nicht fertig ausgemalt!“

Das kann man lustig finden, oder auch nicht. Es ist offensichtlich eine absichtliche, aber satirische Falschmeldung, welche durch ihre Übertreibung deutlich macht: diese Meldung darf nicht wörtlich genommen werden.
Schlimmer sind Nachrichten oder Informationen, die als Tatsachen verkauft werden. Vor wenigen Tagen „erfand“ die Beraterin des US-Präsidenten ein Massaker, um sein Dekret zum Einreisestopp für mehrere islamische Länder zu rechtfertigen. Details dazu hier: Kellyanne Conway erfindet Massaker

Wer sagt uns nun aber, ob nicht die Presse (in diesem Fall der „Spiegel“) absichtlich Falschmeldungen über Falschmeldungen druckt? Viele Menschen trauen den Medien nicht mehr und bezeichnen sie als Lügenpresse. Kaum einer dieser Zweifler hat dabei aber reflektiert, woher er seine Zweifel hat. Denn auch der Verdacht von Falschmeldungen in der etablierten Presse stammt aus irgendeinem Nachrichtenkanal. Warum eigentlich glaubt man dann diesem und zweifelt am anderen?
Nachdem ich am Dienstag vergangener Woche diesen Blog-Artikel begonnen hatte, wurde am Abend auf ZDF die Polit-Satire „Anstalt“ gesendet. Und als hätten deren Autoren meinen unfertigen Artikel bereits eingesehen, berichten sie über Falschmeldungen über Fake-News. Wer es nachträglich sehen möchte:
Die Anstalt vom 7. Februar 2017 (Ausschnitt) (bis 07.Mai 2017 verfügbar)

trump
Das obige Foto zeigt eine Meldung mit einem angeblichen Zitat von Donald Trump. Es passt ins Klischee und Vorurteil, welches viele von diesem Mann haben. Es ist aber ein erfundenes Zitat, eine Falschmeldung. Ich bin für einen Tag darauf reingefallen, habe dann recherchiert, mich korrigiert und auch alle, denen ich diese News zugeschickt hatte, diesbezüglich informiert.

Während es zu meiner Studienzeit eher noch das Problem gab, an Informationen zu gelangen, ist es heute im Zeitalter von Internet, Google, Facebook, WhatsApp und Wikipedia wesentlich schwieriger, die gefunden Informationen zu selektieren und zu bewerten. So kam vor wenigen Wochen eine angebliche Warnung der Kriminalpolizei vor einem Virus. Man möge umgehend so viel wie möglich Freunde warnen. Die Nachricht selbst war harmlos, sorgte aber für eine Flut unnötiger Mails und Nachrichten, also eine Art Kettenbrief, der sich lawinenartig ausbreitete. Da ist es kein Fehler, vor einem Weiterleiten im Internet einen Faktencheck zu machen. Dies macht kaum mehr Arbeit als das massenhafte Kopieren und Weiterleiten der (Falsch)meldung.

Ich persönlich mag Satire, die von Überzeichnung lebt und es auch mit der Wahrheit nicht immer genau nimmt – solange es klar ist, dass es sich um Satire handelt. Trotzdem möchte ich mich in Zukunft auch mehr darum bemühen, Informationen genauer zu hinterfragen, zu prüfen und einem Faktencheck zu unterziehen. Dazu gehört schon, dass Aussagen als persönliche Meinung gekennzeichnet sind oder die Formulierung „möglicherweise“, „eventuell“ oder „angeblich“ vorangestellt wird.

Nach meiner persönlichen Meinung wird dadurch möglicherweise eventuell die Verbreitung angeblicher Fakten eingeschränkt 😉

© Matthias Dauenhauer

Die Welt verändern

Wenn ich mich verändere, verändere ich die Welt. (Gloria Anzuldua) - www.doppelpunkt-praxis.de

Es gibt ja so einiges in dieser Welt, woran man sich stören kann. Umweltverschmutzung, Politik, Bedingungen in unserer Gesellschaft und vieles mehr.

Ich höre zu oft, dass „die da oben“ dies und das anders machen müssten. Das ist im Prinzip sicher auch oft gar nicht falsch. Aber „wir hier unten“ haben auch eine große Macht, wenn nicht sogar die viel größere. Wir können viel verändern, wenn wir uns aus der Komfortzone heraus wagen und beginnen, in unserem Leben, in unserem Alltag, in unserem persönlichen Umfeld etwas zu verändern. Das darf ja zunächst ganz klein sein. Ob es sich um Müllvermeidung handelt oder um einen sorgsamen Umgang mit unseren Ressourcen, um Produkte, die wir kaufen – oder eben meiden – oder um noch ganz andere Dinge, kann jeder für sich entscheiden. Wichtig ist, dass wir wieder unsere eigene Verantwortung wahrnehmen und nicht permanent versuchen, diese abzugeben an Politiker oder Konzerne, an Ärzte oder Lehrer oder sonst wen. Wir haben jede Menge Möglichkeiten, gerade in unserem Land. Bewusst leben und entscheiden, Verantwortung für sich und sein Handeln übernehmen, Vorbild sein und andere mitreißen in diesem Tun, etwas für andere tun, sich engagieren, das sind nur einige der Möglichkeiten, die wir hier haben.

Ich wünsche mir Menschen, die weniger jammern und dafür mit überlegen, was wir tun können, damit es uns allen gut geht und wir alle von dem Reichtum, den wir in Deutschland haben, profitieren.

Wer beginnt, sich für die Gemeinschaft oder für einzelne einzusetzen, merkt oft, wie gut ihm das selbst tut. Es ist also eine effektive Form der Selbsthilfe, wenn ich beginne, mich zu engagieren. Das stiftet Sinn im eigenen Leben, bringt Kontakte und Wertschätzung, bildet Gemeinschaft und bindet somit ein und schützt vor Einsamkeit. Das stärkt das Immunsystem und gibt der Seele Aufschwung.

Das Bild ist ein Geschenk an die Praxis. Da hat sich jemand für uns eingesetzt, seine Zeit und Möglichkeiten aufgewendet für uns. Wie schön. An dieser Stelle nochmals danke dafür.

Autor: Ulrike Dauenhauer – Praxis Doppelpunkt

Füße und Zunge

Es stolpern mehr Menschen über ihre Zunge als über ihre Füße. (aus Tunesien) - www.doppelpunkt-praxis.de

Diesen Beitrag will ich gar nicht auf Politiker gemünzt verstanden wissen. Vielmehr geht es für mich darum, selbst mit meinen Worten sorgsam umzugehen. Dabei ist es völlig egal, wo ich diese Worte verwende, ob im persönlichen Kontakt, über einen Kurznachrichtendienst oder im Internet. Worte haben eine enorme Macht.
Manches, was unbedacht gesagt worden ist, wirkt noch über Jahre im Hörer nach.

Gern beschweren sich Menschen darüber, dass andere unachtsam waren in dem, was sie sagten. Umso wichtiger scheint es mir, dass wir unsere Sprache, unsere Worte immer wieder auf den Prüfstand holen. Möchte ich etwas selbst so gesagt bekommen? Wenn ich es selbst so für mich annehmen und gut finden kann, darf ich es anderen sagen. Andernfalls ist Selbstkorrektur, Rückbesinnung, Abstand und Nachdenken angesagt, ehe man das Wort erhebt.

Autor: Ulrike Dauenhauer Praxis Doppelpunkt

Schweigen

Schäme dich nicht zu schweigen, wenn du nichts zu sagen hast. (aus Russland) - www.doppelpunkt-praxis.de

Am Wochenende kam es in Reutlingen zu einer furchtbaren Gewalttat. Die Medien berichteten, und natürlich fühlten sich auch viele Menschen, die nicht in den Medien tätig sind, aufgerufen, sich dazu zu äußern. Schnell waren viele Falschinformationen im Umlauf.
Dieses Ereignis ist nur ein Beispiel dafür, dass viele Menschen viel zu oft meinen, zu allem etwas sagen zu MÜSSEN. Mir scheint, dass manche Menschen geradezu Angst davor haben, nichts zu sagen oder zu posten. Das ist traurig. Es kann sehr sinnvoll sein, einfach mal zu schweigen.

Autor: Ulrike Dauenhauer – Praxis Doppelpunkt

Brandnacht in Darmstadt

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9/11 Elfter September 1944

Kürzlich war ich zum Klassentreffen in Darmstadt: 40 Jahre Abi. Daran erkennt man, dass man älter wird. Oder auch daran, dass man sich seine ehemaligen Klassenkameraden genauer anschaut. Bei sich selbst merkt man den Alterungsprozess nicht so sehr.

Einer unserer ehemaligen Lehrer hatte für uns eine bilinguale Führung durch Darmstadt vorbereitet: deutsch und hessisch. Viele unserer Klassenkameraden stammten nicht aus Darmstadt, sondern kamen aus allen Teilen der damaligen Bundesrepublik. Der Besuch der Internatsschule am Rande eines Vorortes trug nicht dazu bei, die ehemalige Residenzstadt näher kennen zu lernen. So war diese geführte Tour Jahrzehnte später informativ, humorvoll und nachdenklich zugleich.

Die meisten von uns wussten z.B. nicht, dass Darmstadt ein 9/11 erlebt hat. Es war die Brandnacht vom 11. auf den 12. September 1944. Ein Geschwader der Britischen Air Force legte 5 Minuten vor Mitternacht mit 234 Bombern die Stadt in Schutt und Asche. 99% der Innenstadt wurde dabei zerstört – sprichwörtlich ruiniert.
Nicht nur nach heutigen Maßstäben war dies ein Akt der Grausamkeit an der Zivilbevölkerung und somit ein Kriegsverbrechen. Etwa 11.500 Menschen sollen allein in dieser Nacht den Tod gefunden haben. Jedes fünfte Opfer war ein Kind!

Ähnlich wie bei der berühmten Gedächtniskirche in Berlin stehen die Reste einer Kapelle als Mahnmal an das damalige Geschehen. Jährlich gedenkt man in einer kleinen Prozession dieses schrecklichen Ereignisses.
Eine Bronzestatue zeigt einen gebeugten, vor Schmerz verzerrten Körper, der in die Knie geht. Davor ist im Boden ein Spruch eingelassen, den Karl Krolow, ein deutscher Schriftsteller, der 1999 in Darmstadt verstarb, formuliert hat:

In Deutschlands dunkelster Zeit
gekrümmt von der Macht und im Leid
Ohne Hoffnung doch hoffnungsbereit
Für den Frieden in unserer Zeit.

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Dass Gewalt zu Gewalt führt, zeigt die Geschichte mannigfach. Aber die Geschichte lehrt uns auch, dass der Mensch aus der Geschichte nicht lernt. Auch heute noch lassen die Mächte in Ost und West ihre Muskeln spielen, halten Manöver ab, im Glauben, damit den vermeintlichen Gegner einschüchtern zu können. In Nord und Süd gibt es Machthaber, die bereit sind, ihre Macht auszuspielen: Intoleranz, Unterdrückung, Folter, Todesstrafe. Aber davor steht die Gewaltbereitschaft, die Bereitschaft, mit Gewalt politische und persönliche Interessen durchzusetzen, notfalls auch prophylaktisch.

Der aufstrebende Nationalismus in Europa und anderswo sind Vorboten einer Zukunft, die wieder wie damals schon Wind sät. Ich hoffe, die Ernte nicht mehr miterleben zu müssen.

© Matthias Dauenhauer – Praxis Doppelpunkt

Krankheiten unserer Zeit

Die Scheu vor Verantwortung ist eine Krankheit unserer Zeit . (Fürst Bismarck ) - www.doppelpunkt-praxis.de

Kürzlich bot sich uns bei einer Reise auf dem stillen Örtchen eines Schnellrestaurants obiges Bild. Glücklicherweise benötigte ich keine der beiden Toiletten, denn für mein „kleines“ Problem gab es Urinale.

Ich habe den besch… Zustand der Toiletten fotografiert und der Filialleitung gezeigt. Sie war bestürzt und verärgert, denn es käme in letzter Zeit öfter vor, dass mutwillig die Toiletten in einem unappetitlichen, schmuddeligen Zustand zurückgelassen werden.

Man fragt sich unwillkürlich: warum machen Menschen so etwas? Niemand würde seine private Toilette daheim so hinterlassen, denn der nächste Nutzer ist sein Familienangehöriger oder gar er selbst. Das Foto offenbart auch nicht ein versehentliches Malheur, sondern mutwillig inszeniertes Chaos. Warum tut man das? Soll der Ruf des Restaurants beschädigt werden, des Filialleiters, der Putzfrau?

Ist das Beobachtete ein Symptom unserer gesellschaftlichen Entwicklung? Frustration und Aggression nehmen zu. Sachbeschädigungen und Körperverletzungen nehmen zu. Wie steht es um das Sozialverhalten und die Verantwortung für das Eigentum anderer oder das öffentliche Eigentum? Leere Bierdosen in Parkanlagen, ausgespuckte Kaugummis in Fußgängerzonen, Altglas und Batterien im gelben Sack! Pöbeleien, Grabschen und sexuelle Nötigung am Arbeitsplatz oder sogar auf öffentlichen Plätzen! Die Liste ließe sich fortsetzen.

Wie gehen wir miteinander um? Das zeigt sich auch im Fernsehen bei TV-Debatten, wo man glaubt, durch Lautstärke das eigene Argument schlagkräftiger zu machen, wo man sich nicht ausreden lässt oder sogar beschimpft.

Wie gehen wir miteinander um? Das zeigt sich auch im Familienleben, wo der Tonfall und die Fäkalsprache immer mehr Einzug hält.
Wie gehen wir miteinander um? Das zeigt sich auch in den Kirchen, wo verbale Gewalt und Intoleranz zunimmt.

Jeder trägt Verantwortung für sein Tun, sein Handeln, sein Unterlassen. In gewisser Hinsicht sogar für seine Gefühle und Gedanken (Johann Friedrich Herbart). Scheuen wir Verantwortung? Ist dies eine Krankheit unserer Zeit? Jedenfalls Bismarck schon am 1. März 1870 vor dem Norddeutschen Reichstag behauptet: „Die Scheu vor der Verantwortung ist eine Krankheit unserer Zeit!“ Die Zeiten ändern sich … oder auch nicht!

PS: Als wir eine halbe Stunde später das Restaurant verließen und ich mir nach dem Essen die Hände waschen wollte, schaute ich auch noch mal um die Ecke: es sah noch exakt genau so aus…

© Matthias Dauenhauer

Freiheit – Macht – Liebe

Wer frei ist, lässt andere frei sein. - www.praxis-doppelpunkt.de

Es erstaunt mich immer wieder, wie Menschen aus eigener innerer Enge heraus, anderen Menschen Grenzen setzen, wie Menschen, die sich nicht frei fühlen, bestimmte Dinge zu tun, dies anderen auch nicht zugestehen können.

Freiheit fordert immer auch Verantwortung. Und die kann groß sein. Manchem Menschen mag sie für sich zu groß erscheinen oder tatsächlich zu groß sein. Nicht jeder kann gleichviel Verantwortung tragen. Und nicht jeder mag viel Verantwortung übernehmen.

Worum geht es mir konkret: Da gibt es Menschen, die sich von Dingen bedroht fühlen. Das kann die Unbeschwertheit sein, mit der jemand anderes mit Menschen des anderen Geschlechts umgeht. Das kann eine fremde Kultur sein, in der sich jemand nicht auskennt. Fremdes macht uns ja leicht Angst. Die Angst kann mich hindern, mich mit dem Fremden – also nicht mit dem Menschen, sondern mit dem, was mir an ihm fremd ist – zu öffnen. Manche Menschen fürchten, dass sie über zuviel Nähe zu dieser Fremdheit ihr eigenes verlieren. Wenn jemand also Angst hat, sich selbst oder seine Identität zu verlieren, wenn er sich für etwas Neues öffnet, wird er sich selbst beschränken. Angst hat leider die Eigenschaft, größer zu werden, wenn man ihr aus dem Weg geht, die Begegnung meidet. Die Folge ist, dass die Angst sich auf immer mehr Dinge oder Menschen ausweitet. Und zur Beherrschung der eigenen Angst werden dann anderen Menschen Grenzen gesetzt.

Ich habe jetzt nicht DIE Lösung dafür. Aber mir geht immer ein Satz von Charlie Chaplin durch den Kopf: „Macht brauchst Du nur, wenn Du etwas Böses vorhast. Für alles andere reicht Liebe um es zu erledigen.“ Das könnte zumindest mal ein Ansatz sein, um weiter zu denken.

Autor: Ulrike Dauenhauer – Praxis Doppelpunkt

Auf das WIE kommt es an

Bevor man seine Bedenken äußert, sollte man seine Äußerungen bedenken. (Gerhard Uhlenbruck) - www.doppelpunkt-praxis.de

Wir leben in einem Land, in dem man – noch ? – frei seine Meinung äußern darf. Das ist ein hohes Gut. Gleichzeitig verleitet diese Möglichkeit manche Menschen dazu, dies als Aufforderung zu verstehen, sich möglichst oft, an vielen Orten, in vielen Kontexten mit ihrer Kritik zu Wort melden zu sollen. So ist das aber gar nicht gemeint. Kritik ist keine Pflicht, der wir ständig und jedem gegenüber nachkommen müssen.

Es gibt Menschen, die im persönlichen Kontakt oder auch auf öffentlichen Plattformen ihre Bedenken mitteilen. Leider mache ich dabei immer wieder die Feststellung, dass nicht jeder, der da was äußert, vorher gründlich darüber nachgedacht hat, wie er das äußert und was seine Worte auslösen können. Manch einer würde sich selbst das nicht gern von anderen sagen lassen, was er/sie seinem Gegenüber da so entgegen hält oder vorwirft. Ein gesprochenes oder geschriebenes Wort kann viel auslösen, kann schwer verletzen, ist mächtig, wird von vielen so leicht nicht vergessen. Mit Worten gesetzte Wunden wirken oft lang. Daher ist es sicher von Nutzen, vorher genau zu überlegen, was man sagt oder schreibt.

In meiner Kindheit hieß das schlicht: „Was du nicht willst, dass man dir tu, das füg auch keinem andern zu.“

Die Bibel formuliert es sehr schön positiv: „Und wie ihr wollt, dass euch die Leute behandeln sollen, so behandelt auch ihr sie gleicherweise!“ (Lukas 6,31)

Ich finde das hoch aktuell.

Autor: Ulrike Dauenhauer – Praxis Doppelpunkt

„Ein alter Bekannter“

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Am 04. November 2015 durften wir auf einer Tagung in Heidelberg einen alten Bekannten treffen: Prof. Philip Zimbardo, einen der einflussreichsten lebenden Psychologen.

Er ist ein alter Bekannter, aber anders als es die Fotos suggerieren. Wir haben Phil vorher noch nie gesehen (außer auf youtube). Aber wir haben Fachliteratur dieses weltberühmten Psychologen gelesen und natürlich in Vorlesungen von seinen Forschungen gehört. Er ist inzwischen 82 Jahre alt und weltweit bekannt durch sein Gefängnis-Experiment, also ein „alter Bekannter“.

In Zeiten der Studentenunruhen, der Hippie-Bewegung und Flower-Power-Zeit, der Anti-Vietnam-Demonstrationen hat der 1933 in New York geborene italienisch stämmige Professor im Jahre 1971 an der Stanford Universität in Kalifornien eine sozialpsychologische Untersuchung durchgeführt, die unter dem Namen Stanford-Prison-Experiment (SPE) Eingang in die Psychologiegeschichte nehmen sollte. Bekannt wurde auch eine Verfilmung des Stoffes mit Moritz Bleibtreu in der Hauptrolle unter dem Titel: „Das Experiment“, angelehnt an die tatsächlichen Vorgänge der frühen Siebziger.

Zimbardo ging der Frage nach, ob das „Böse“ eher auf Faktoren zurückzuführen ist, die innerhalb einer Person liegen, also Persönlichkeitseigenschaften, früher auch Charakter genannt. Oder ob das „Böse“ eher durch äußere Umstände zu erklären ist. Handelt es sich um vereinzelte „faule Äpfel“ in einem Fass, oder um Äpfel in einem „faulen Fass“?

Mit Kriegsverbrechen in den verschiedensten Teilen der Welt hat sich Zimbardo auseinandergesetzt. Er untersuchte Vietnam-Veteranen und war auch Gutachter in den Prozessen, in welchen US-Soldaten vorgeworfen wurde, im Gefängnis von Abu-Ghraib Gefangene misshandelt und gefoltert zu haben.

Seine ganze Forschung zu diesem Thema ist in einem Bestseller zusammengefasst: „Der Luzifer-Effekt. Die Macht der Umstände und die Psychologie des Bösen.“ In diesem vielbeachteten Buch – es war eine ganze Weile auf der Bestsellerliste der New York Times, kommt Zimbardo zu dem Schluss, dass entgegen weit verbreiteten Erklärungsversuchen es vielmehr die situativen Umstände sind, die aus „normalen“ Menschen Bestien machen und viel weniger die charakterlichen Eigenschaften des Menschen.

Vaclav Havel schreibt über das rund 500 Seiten umfassende Werk: Er „ … verdient einen tief empfunden Dank für die Offenlegung und Beleuchtung der dunklen, verborgenen Winkel der menschlichen Seele. Sein Buch ist eine nicht immer ermutigende Lektüre. Doch der Autor zeigt sehr deutlich, dass es zu den entscheidenden Herausforderungen der menschlichen Existenz gehört, sich selbst kennenzulernen.“
Im Grunde bedeutet dies: In jedem von uns steckt ein Teufel. Oder, um persönlicher zu werden: auch in mir steckt Dämonisches. Ob es zum Vorschein kommt, hängt nicht allein von mir ab, sondern sehr wesentlich von der Situation, in der ich mich befinde. Darum lautet der Untertitel seines Buches auch: „Understanding how good people turn to evil“.

Schon als Pastor habe ich in einer Predigt vor vielen Jahren mal behauptet, dass der Teufel, der uns verführt, nur eine billige Ausrede sein könnte. Ich selbst trage so viel Diabolisches in mir, dass ich den Teufel als Begründung für Fehlverhalten gar nicht brauche. Das Gute und das Böse schlummern in mir. Hierzu passt auch perfekt ein Litho von M. C. Escher aus dem Jahre 1960, welches je nach Sichtweise viele Engel oder viele Teufel zeigt: „Circle Limit IV“ Engel und Teufel

Der Teufel war nach biblischer Darstellung einmal ein besonderer Engel: der Luzifer, eine Lichtgestalt. Wie eine Lichtgestalt aus großen Höhen fallen kann, erleben wir dieser Tage im deutschen Fußball …

Ich will die Hoffnung für mich nicht aufgeben, dass ich trotz äußerer Umstände und ungünstiger Situationen öfter den Engel als den Teufel zum Fliegen bringe und sichtbar werden lasse. Und ich will auch nicht aufhören daran zu glauben, dass andere Menschen, auch wenn sie Böses getan haben, i.d.R. Opfer der Umstände wurden und nicht durch und durch selbst Böse sind. Damit meine ich nicht, dass sie von der Verantwortung für ihr Handeln frei gesprochen sind. Aber ich werde mit Pauschal- und Vorverurteilungen vorsichtiger sein, denn ich weiß nicht, ob und wann ich selbst zum Dämon werde.

© Matthias Dauenhauer

Eine folgenschwere Entscheidung

Jeder übermütige Sieger arbeitet an seinem Untergang. (Jean de la Fontaine) - www.doppelpunkt-praxis.de

Am 16. Dezember 1991 sank im Roten Meer Nahe der Bucht von Safaga ein Fährschiff. Es war eine stürmische Nacht. Die Salem Express hatte viele Passagiere an Bord, welche von einer Pilgerfahrt aus Mekka zurückkamen. Nur rund 200 Überlebende wurden nach dem Unglück gezählt. Mindestens 700 Passagiere ertranken nach offiziellen Angaben. Vermutlich waren aber noch hunderte weitere Pilger an Bord, die gar nicht registriert waren.

Wir durften im September einen Tauchgang zum Wrack der Salem Express unternehmen. Es liegt in einer Tiefe von 20 bis 30 Metern auf seiner Steuerbordseite. Das Wrack wurde offiziell zum Grab erklärt, weil nicht sichergestellt werden konnte, dass alle Leichen geborgen worden waren. Darum ist das Hineintauchen verboten. Aber auch das Drumherum-Tauchen ist spannend. Das Wasser ist klar und man hat eine Sicht von ca. 30 Metern. Allerdings verblassen die Farben in dieser Tiefe, wie auf dem Foto gut zu erkennen ist. Das gibt diesem nicht geborgenen Schiff einen leicht unheimlichen Charakter. Interessant ist auch, wie nach einem knappen Vierteljahrhundert die Natur sich ihre Welt zurück erobert. Das Wrack wurde für viele Fische und Korallen eine neue Heimat.

Wir haben uns gefragt, wie es zu dieser Tragödie kommen konnte. Die moderne Technik mit GPS, Tiefenmesser und Radar sollte Unglücke dieser Art eigentlich ausschließen! Der Kapitän soll nach Berichten Ansässiger sogar aus Safaga gestammt haben. Er kannte diese Bucht wie seine Westentasche und war sich sicher, dass er die offizielle Schifffahrtsroute verlassen konnte, um eine Abkürzung zu nehmen. Es wurde für viele eine Abkürzung ihres Lebens. Er rammte ein vorgelagertes Riff. Wasser drang rasend schnell in den Innenraum der Fähre. Das Schiff sank binnen 10 Minuten. Der Kapitän war sich seiner Sache sehr sicher gewesen. Zu sicher! Er hat sich und sein Können überschätzt. Ein Übermut, der zum Untergang führte.

Ob der Kapitän im Sinne des Zitates ein Sieger oder gar ein übermütiger Sieger gewesen ist, lässt sich schwer beurteilen. Fakt ist, dass seine Fehleinschätzung zum Untergang geführt hat. Wo verläuft die Grenze zwischen mutig sein und übermütig sein? Zwischen etwas wagen („Wer nicht wagt, der nicht gewinnt!“) und etwas aufs Spiel setzen? Und macht es einen Unterschied, ob ich ein Risiko eingehe, das nur mich selbst betrifft, oder auch andere Menschen? Wo beginnt und wo endet meine Verantwortung?

Mut wird als erstrebenswerte Tugend dargestellt. Übermut (gr. Hybris; lat. superbia) dagegen als Laster. In der milden Form als Leichtfertigkeit, in gesteigerter als Tollkühnheit.

Ich hoffe, dass es mir zukünftig immer gelingen wird, mutig zu sein, wo es die Situation erfordert (z.B. Zivilcourage zu zeigen), aber vor Übermut bewahrt zu bleiben, insbesondere wenn andere Menschen durch meine Entscheidung maßgeblich betroffen oder gar gefährdet sind.

© Matthias Dauenhauer – Praxis Doppelpunkt