Freundschaft und Unzertrennlichkeit

Wahre Freundschaft bedeutet nicht Unzertrennlichkeit, sondern getrennt sein zu können, ohne dass sich was ändert. - www.doppelpunkt-praxis.de

Freundschaft ist eigentlich ein Wort, das jeder selbstverständlich benutzt. Ich schaue auch bei solchen Worten gern mal nach, was sich dazu findet an Definitionen oder sonstigen interessanten Hintergründen. In Wikipedia fand ich diesen Hinweis: Meyers Großes Konversations-Lexikon von 1907 bezeichnet Freundschaft als „das auf gegenseitiger Wertschätzung beruhende und von gegenseitigem Vertrauen getragene freigewählte gesellige Verhältnis zwischen Gleichstehenden.“

Gut, das war also 1907. Aber hat sich da Wesentliches geändert? Für mich ist Freundschaft nach wie vor wesentlich mit dem Begriff des Vertrauens verknüpft. Vertrauen meint dabei den Glauben an die Redlichkeit einer Person.

Dennoch erlebe ich bei anderen immer wieder große Probleme zum Beispiel im Umgang mit Kurznachrichtendiensten. Ich möchte kurz schildern, was ich genau meine: Zwei Menschen, die sich lieben, sind nicht beieinander. Das kann tagsüber oder abends sein. Einer der beiden schreibt eine Nachricht auf Whatsapp. Dort gibt es die Möglichkeit zu sehen, ob der andere online ist. Danach wird dann auch geschaut. Der Schreiber schaut dann wiederholt nach, ob die Nachricht gelesen wurde und wann der Adressat zuletzt online war. Und dann geht es im Kopf los: Warum antwortet er/sie nicht? Der/Die ist doch die ganze Zeit online. Mit wem schreibt er/sie? Und daraus entstehen dann die wildesten Geschichten von Eifersucht. Warum ist das so? Seit diese Medien existieren, scheinen sie Menschen zu verändern.

Wie ging das eigentlich in Zeiten vor Whatsapp und ähnlichen Medien? Auch da hatten Menschen Beziehungen und Zeiten, in denen sie sich nicht sahen. Da war ich gefordert, meinem Partner zu vertrauen, dass er Dinge tut, die in unsere gemeinsame Übereinkunft passen, die seine und meine und unsere gemeinsamen Beziehungsgrenzen wahren. Und das hat auch meistens funktioniert. Ich glaube nicht, dass damals mehr fremdgegangen wurde als heute. Warum haben heute viele Menschen so ein starkes Bedürfnis danach, immer, jederzeit, sofort zu wissen, was der/die andere tut oder wo er/sie ist? Warum entsteht so schnell Angst, dass man selbst dem/der anderen nicht mehr so wichtig ist, wenn nicht sofort eine Reaktion auf eine entsprechende Meldung auf dem Handy erfolgt? Führt die Möglichkeit dieser Geräte und Apps zu Verpflichtungen? Dann wäre es mit der Freiheit vorbei. Das fände ich schade und auch gar nicht hilfreich für die einzelne Beziehung und für jeden einzelnen Menschen. Es muss doch möglich sein, den Abend getrennt zu verbringen und GLEICHZEITIG darauf zu vertrauen, dass er/sie auch nur Dinge tut, die für uns beide in Ordnung sind. Meines Erachtens braucht eine Beziehung so viel Vertrauen, wenn sie langfristig tragfähig sein soll. Vertrauen ist aber immer etwas, wo ich selbst beginnen muss. Ich kann es nicht einfordern, ich kann es nur geben.

Es kostet bisweilen etwas Mut, Vertrauen zu haben. Aber nur wer Vertrauen schenkt, kann auch Vertrauen erfahren. Und diese Erfahrung ist so schön, dass sie jeder machen sollte. Und wenn es sein muss, kann man solche Nachrichtendienste auch mal für geraume Zeit still legen, um zu lernen, dass es auch ohne ständige Kontrolle geht. Manchmal ist weniger einfach mehr.

Autor: Ulrike Dauenhauer – Praxis Doppelpunkt

Vertrauen – Misstrauen

Vertrauen - Misstrauen

Beziehungen leben von Vertrauen, das man zu einander hat. Vertrauensbruch ist auch vielfach die tiefste Verletzung, die eine Beziehung erfahren kann. Bisweilen heilen solche Brüche nicht mehr, das ist tragisch.
Aber wie kommt es eigentlich dazu, dass mir jemand vertraut? Sicher sind es einerseits verbale Botschaften, die ich aussende, dann aber auch meine Körpersprache und meine Auftreten. Erfahrungen mit dem anderen sind nicht immer als Voraussetzung möglich. Manchmal lernen wir jemanden gerade erst kennen und die Situation erfordert es, dass ich ihm oder ihr schnell vertraue. Da kann ich auf keine gemeinsame Geschichte aufbauen. Vertrauen entsteht, in dem einer von beiden einen Schritt geht. Dieser Schritt kann nicht gemeinsam gegangen werden, sondern einer muss diesen ersten Schritt tun, der in diesem Fall heißt: Vertrauen schenken! Wenn ich möchte, dass man mir vertraut, werde ich es deutlich leichter haben, wenn ich mich entschließe, den ersten Schritt zu tun und Vertrauen auf den anderen zu wagen. Das ist ein wirkliches Wagnis. Immer. Denn ich kenne niemanden bis ins Letzte. Und wir alle kennen aus den Medien – oder womöglich sogar aus eigener Erfahrung – Geschichten, wo der Mensch, der einem am nächsten Stand, das in ihn gesetzte Vertrauen gebrochen hat. Also bleibt es ein Wagnis.
Nach solchen schmerzlichen Erfahrungen fällt es schwer, wieder Vertrauen zu geben. Aber es bleibt mir nichts anderes übrig, wenn ich wieder Vertrauen erleben will, beim anderen und bei mir selbst. Ich kann nicht in einer neutralen Haltung verharren und hoffen, dass Vertrauen wieder wächst. Wenn mein Vertrauen von jemand anderem missbraucht wurde, misstraue ich in aller Regel auch mir selbst. Permanent plagen dann die Fragen, ob ich es nicht hätte ahnen können oder was mir hätte auffallen können. Ich muss also lernen, mir und meinen Wahrnehmungen wieder zu vertrauen. Das wird nicht frei von Risiken bleiben, aber es ist der einzige Weg, letztlich wieder Vertrauen zu finden. Erst einmal in mich selbst, dann in den anderen.

Autor: Ulrike Dauenhauer – http://www.doppelpunkt-praxis.de