Die letzten drei Tage hatte mich das Grün wieder sehr fasziniert. Als erstes erlebe ich immer den Erholungseffekt, den es hat, wenn ich mich im Grünen aufhalte. Ich spüre, wie Ruhe einkehrt und das bewusste Schauen einsetzt. Und je mehr ich schaue, desto mehr Grünschattierungen entdecke ich. Es setzt eine Faszination ein, für die ich kaum einen Ausdruck finde, die ich aber schon oft und an verschiedenen Orten erlebt habe.
All das Grün gehört irgendwie zusammen, und doch ist jedes für sich. Jeder Baum, jeder Busch, jede Pflanze hat ihren eigenen Platz und ihren eigenen Wert. Und jede hat ihre Aufgabe im großen Ganzen. Und niemand scheint diesen Platz in Frage zu stellen. Wir kennen bisher keine Kommunikation zwischen Pflanzen, die vermitteln würde, dass sie sich gegenseitig kritisieren oder in Frage stellen. Aus meiner Sicht, so denke ich, ist jede Pflanze mit ihrer Blattform, ihrem Grün, ihrem Standort zufrieden (oder sie wächst dort eben nicht mehr, geht unter, wie alles irgendwann). Vor allem habe ich nie erlebt, dass Menschen das Grün oder die Form einer Pflanze in Frage stellen. Solchen Umgang wünsche ich mir und anderen. Friedlich, akzeptierend.
Ja, es mag so Momente geben, wo der große Baum in Nachbars Garten einen ärgert, weil er an den ersten Sonnentagen zu viel Schatten macht oder im Herbst so viel Laub abwirft. Aber in der freien Natur gibt es diese Kritik nicht. Im Gegenteil, da faszinieren sogar die bereits abgestorbenen Bäume oder Baumstümpfe, auf denen bereits Neues wächst. Ja gerade diese Kombination finde ich besonders interessant. Dieses Zusammenkommen von Werden und Vergehen an einem Platz. Im Grunde leben wir ständig darin, nur nehmen wir es selten so wahr. Und in der Natur erlebe ich es als schön, bereichernd, faszinierend und inspirierend. Werden und Vergehen prägt mein Leben. Jeder Atemzug ist ein Stück davon. Und die Atemzüge nehme ich auch einfach so, kritisiere sie nicht, sondern nehme sie einfach an.
Das Unperfekte der Natur erlebe ich als Schön und Besonders. Im eigenen Leben bin ich da kritischer. Warum? Kann ich nicht von der Natur lernen, auch die unperfekten Dinge mit liebevollem Auge zu sehen? Kann es mir nicht gelingen, in den bereits vergehenden Dingen meines Lebens – und im Leben der anderen – neue Chancen und bereits wieder Wachsendes zu entdecken? Ist das nicht einfach nur eine Frage der Art des Schauens? „Man sieht nur mit dem Herzen gut“, sagte Antoine de Saint-Exupéry. Das muss er wohl gemeint haben.
Autor: Ulrike Dauenhauer – http://www.doppelpunkt-praxis.de
Liebe Ulrike.Ich danke dir! Es ist eine wunderschöne Betrachtungsweise.Man lernt so vieles und vergessen es mit der Zeit wieder,wenn wir nicht daran bleiben.Schade.